Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Schule entscheidet

Mit zwölf zu vier Stimmen hat die Jury entschieden: Der Entwurf von Ortner & Ortner Baukunst soll bei der Entwicklung des Heliosgeländes weiterverfolgt werden.

Das muss eine besondere Herausforderung für einen Architekten darstellen: Raus aus dem Elfenbeinturm Wettbewerb und ran an den Bürger. Und so gingen die drei Büros, die zur Entwicklung eines Entwurfes für das Heliosgelände aufgefordert waren, auch sehr unterschiedlich damit um, dass ihre Arbeiten bei der Zwischenpräsentation im Oktober vom Publikum zerpflückt worden waren.

Alles neu

Ingrid Spengler vom Hamburger Büro Spengler Wiescholek ist bei der Vorstellung des überarbeiteten Entwurfes deutlich anzumerken, dass ihr die Kritik aus Köln zugesetzt hat. „Bei der Zwischenpräsentation wollten wir ausloten, was geht“, erläutert sie, „dann saßen wir im Auto und haben gemerkt, dass wir alles noch mal auf Anfang setzen müssen.“ Auch die Fragen und Anregungen aus dem Publikum hätten sie dazu gebracht, den Entwurf komplett zu überarbeiten. So ist der Wohnbaustein jetzt – wie bei den anderen Entwürfen – an den Ehrenfeldgürtel gerückt und die mäandernde Schule schirmt ihn gegen das Kreativquartier, oder vielmehr gegen das neu platzierte Underground, ab. Bei der Wohnbebauung setzt das Büro nicht auf eine klassische Blockrandbebauung, sondern stellt die Riegel parallel zum Ehrenfeldgürtel. Dabei wird eine Lücke gelassen, in der noch der Burger King steht. Läuft der Pachtvertrag aus, kann der Riegel ergänzt werden. Die Schule hat zwei Köpfe, einen an der Heliosstraße, einen an der Vogelsanger Straße. Sie umschlingt den Schulhof für die Primarstufe, der auf einem Sockel liegt und so als geschützter Bereich ausgewiesen wird.

Überhaupt ist der Sockel in diesem Entwurf ein prägendes Element: Auch die Wohngebäude werden darauf gesetzt – begrünt sollen sie schöne Ausblicke auf „hängende Gärten“ bieten. Zugleich können sie in den Innenbereichen Parkflächen aufnehmen und sollen zu den Straßen, Wegen und Plätzen hin Gastronomie und Geschäfte beherbergen. Die so entstehenden Ladenflächen kann das Gelände sicher nicht bedienen, die entstehenden Freiflächen zwischen den Gebäuden und besonders vor der Rheinlandhalle, die mit einem angeschrägten Gebäude zum Ehrenfeldgürtel hin geöffnet wird, versprechen aber hohe Aufenthaltsqualitäten.

Stur geblieben

Selbstbewusst gibt sich Christian Heuchel von Ortner & Ortner Baukunst in Wien, Berlin und Köln. „Wir sind etwas sturer geblieben“, schließt er an den vorangegangenen Vortrag an und präsentiert einen Entwurf, der sich mit großen, eigenständigen Formen an die Industriekultur anlehnen will. So befindet sich an der Heliosstraße eine „Kulturmeile“ mit einer 1000 Quadratmeter großen Veranstaltungshalle im Erdgeschoss, Ateliers und Künstlerwohnungen. Auch hier sitzt die Schule – bestehend aus sechs Würfeln – auf einem Sockelgeschoss. In ihm sollen die Bereiche der Schule untergebracht werden, die auch von außen genutzt werden können. Der kunstpädagogische Bereich befindet sich dabei in der Nähe der „Kulturmeile“, außerdem sind die Sporthalle und die Aula hier zu finden. Sie sollen, so die Vorstellung des Büros, unabhängig von der Schulnutzung erschlossen und von der Öffentlichkeit genutzt werden. Die großzügige Gestaltung der Schule hat zur Folge, dass Nebenräume weichen müssen. So wird die Verwaltung im Gebäude an der Ecke Vogelsanger Straße / Ehrenfeldgürtel untergebracht. Das reine Wohnen wandert damit in einen recht komprimierten Block zwischen Burger King und Rheinlandhalle.

Als Abschluss der Eckbebauung an der Venloer Straße und des Platzes vor der Rheinlandhalle plant Ortner & Ortner ein Boarding House. Mit viel Liebe widmet sich das Büro der Erinnerung an das Vergangene: So sollen auf dem Platz vor der Rheinlandhalle Lampentürme aufgestellt werden, die an die ehemalige Glühlampenfabrik Helios erinnern, und auf einem Zwickel an Heliosstraße und Venloer Straße plant man die Helios-Bar. Dies kann aber auch nicht verhindern, dass die in diesem Entwurf geplanten Freiflächen eher wie Restflächen wirken.

War was?

Diesen Vorwurf kann man Brandlhuber+ aus Berlin nicht machen. „Am besten wäre es, wenn die gesamte Fläche frei wäre von Bebauung“, eröffnet Arno Brandlhuber seine Präsentation. Auf die Änderungen zum vorherigen Entwurf geht er gar nicht erst ein und präsentiert eine reine Randbebauung mit einem großen öffentlichen Raum im Zentrum. Das hat zur Folge, dass die Pausenfläche für den Primarbereich, der bei den vorhergehenden Entwürfen jeweils auf einem Sockelgeschoss in einem von der Schule umschlossenen Bereich war, auf das Dach der Schule rückt. Die Schule ist in einem langen Block entlang der Vogelsanger Straße organisiert, wobei auch hier bestimmte Schulfunktionen wie Aula, Mensa und Bibliothek im Erdgeschoss liegen und öffentlich zugänglich sein sollen. Um bei der großen Freifläche noch die geforderte Wohnnutzung auf dem Gelände unterbringen zu können, soll der Wohnblock am Ehrenfeldgürtel achtgeschossig sein. Neben der Idee, den Burger King in das Wohngebäude zu integrieren, ist das Büro auch in der Grundrissplanung bereits sehr ins Detail gegangen.

Für die Wohnungen ist eine innenliegende Erschließung mit Aufzügen sowie eine außenliegende mit Treppenturm vorgesehen, damit die Wohnungen alle von beiden Seiten belichtet werden. Noch ausgeklügelter ist die Grundrissentwicklung bei der kulturellen Nutzung an der Heliosstraße. Hier sollen Atelier-Maisonetten entstehen, deren Etagen überkreuz liegen. Die Wohnetagen haben eine Ost-West-Orientierung, die Arbeitsetagen eine Nord-Süd-Richtung. Mindestens genauso ausgearbeitet wie die Grundrisse, ist die Außenfläche. Unterschiedliche Höhen geben Struktur, an einer Stelle ist sogar ein tiefes Loch zur natürlichen Belichtung und Belüftung der Tiefgarage geplant. Die Frage, wie bei der Außengestaltung mit dem verseuchten Boden umgegangen wird, darf Brandlhuber stellvertretend für alle Präsentierenden beantworten: Die Erde solle nicht ausgehoben, sondern saubere Erde aufgeschüttet werden. Aber so richtig durchdacht scheint das noch für keinen Entwurf zu sein. Insgesamt provoziert der Entwurf von Brandlhuber+ die meisten Fragen aus dem Publikum – er wagt aber auch am meisten, entfernt sich am weitesten von Konventionen. Ob diese Planung aber zum Vorteil der zukünftigen Bewohner und Schüler wäre, sei dahingestellt – eine achtgeschossige Wohnbebauung ist an dieser Stelle mindestens gewöhnungsbedürftig und trotz der unterschiedlichen Höhen scheint eine solch große Freifläche zunächst mal unwirtlich, eine tatsächliche Nutzung unwahrscheinlich.

Schwerpunkt Schulgebäude

Alle drei Büros haben Alternativentwürfe vorgelegt, falls doch eine Entscheidung gegen eine Schule fällt. Sie werden allerdings nur am Rande erwähnt. Doch müssen der Stadtrat und seine Ausschüsse noch darüber befinden und nicht zuletzt müssen sich dann Eigentümer und Stadt über den Verkauf des Grundstücks einig werden.

Die Schulplanung war dann aber ausschlaggebend für die Jury: Die innere Organisation in Gruppen würde der Schulträger der linearen Struktur vorziehen, war die Hauptargumentation für den Entwurf von Ortner & Ortner. Wichtig sei, dass die Schule im Inneren funktioniere, weil sie ein wichtiger Baustein für die Planung sei. Die Schwächen der Freiraumplanung scheinen dagegen nicht so schwer zu wiegen, sie wurden von der Jury aber zumindest als solche angemerkt. Und so wurde der Entwurf von Ortner & Ortner Baukunst zur Weiterentwicklung vorgeschlagen.

Die Entwürfe sind bis zum 22. November im >>Design Quartier Ehrenfeld zu sehen.

Vera Lisakowski

 

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Weiterführende Links:

>>Informationen der Stadt Köln über das Verfahren

>>Bürgerinitiative Helios

 

Modell Heliosgelände von  Ortner & Ortner Baukunst

Der Entwurf von Ortner & Ortner Baukunst. Im Vordergrund die Vogelsanger Straße mit der in sechs Baukörper aufgegliederten Schule. Links die ‚Kulturmeile‘.

Geländeplan Helios von Spengler Wiescholek

Plan des Geländes von Spengler Wiescholek. Im Zentrum schlängelt sich die Schule, am Ehrenfeldgürtel die Wohnriegel.

Modell Heliosgelände von Spengler Wiescholek

Das Modell von Spengler Wiescholek. Im Vordergrund die ergänzte Bestandsbebauung an der Venloer Straße.

Pläne Heliosgelände Ortner & Ortner

Die Planung von Ortner & Ortner, links die kulturelle Nutzung, daran anschließend die Schule. Am Ehrenfeldgürtel Wohnbebauung. Im Norden des Geländes die kleine Helios-Bar.

Ansicht Rheinlandhalle Ortner & Ortner

Die Freifläche vor der Rheinlandhalle mit den Helios-Lampentürmen von Ortner & Ortner.

Modell Heliosgelände von Brandlhuber+

Entwurf von Brandlhuber+. Im Zentrum die große Freifläche. Links zum Ehrenfeldgürtel die achtgeschossige Wohnbebauung, rechts die kulturelle Nutzung. Im Hintergrund der Schulriegel an der Vogelsanger Straße.

Plan Heliosgelände Brandlhuber+

Entwurf von Brandlhuber+. Im Erdgeschoss soll der Schulriegel durchlässig sein und eine öffentliche Nutzung erlauben.

Modell Heliosgelände von  Ortner & Ortner Baukunst

Das Modell des Siegerentwurfes von Ortner & Ortner Baukunst. Im Vordergrund die Wohnbebauung am Ehrenfeldgürtel.

1 Kommentar

prima – da geht es ewig hin und her und am ende gewinnt das konzept, das einfach quaderformen angeordnet hat. geht es noch einfallsloser !