Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Kopfbau

Christ & Gantenbein aus Basel gewinnen den Wettbewerb für die Erweiterung des Wallraf-Richartz-Museums

Sehr glücklich, sogar euphorisch war die Stimmung, als am vergangenen Dienstag die prämierten Arbeiten für die Erweiterung des Wallraf-Richartz-Museums vorgestellt wurden. Museum, Stadt und Stifterrat freuten sich aber nicht nur darüber, dass mit dem von der Jury zur Realisierung vorgeschlagenen Entwurf des Basler Büros Christ & Gantenbein eine hervorragende architektonische Lösung für diese ebenso anspruchsvolle wie ungewöhnliche Bauaufgabe gefunden wurde, sondern gleichermaßen darüber, dass dieses Projekt damit einen entscheidenden Schritt weiter gebracht wurde. „Schon nach dreizehn Jahren“ kommentierte der Vorsitzende des Stifterrats Alfred Neven DuMont die Trägheit des Prozesses und betonte, dass es der Stifterrat gewesen sei, der den Wettbewerb schließlich initiiert und finanziert habe. Die tatsächliche Umsetzung mit der man bis spätestens 2018 rechne, liege nun in den Händen der Stadt.

1. Preis: Christ & Gantenbein (Basel) 50.000 €

Die Jury wählte von den 16 eingereichten Arbeiten den Beitrag von Christ & Gantenbein (Basel) zum ersten Preisträger. Der Juryvorsitzende Bernhard Wiking aus Hamburg begründete die Entscheidung unter anderem damit, dass die Erweiterung den Geist des Museums fortführen werde und dem Vergleich mit dem Ungersbau standhalte ohne ihn zu imitieren. Dies jedoch auf ganz andere Weise als erwartet und im beschränkt ausgelobten Realisierungswettbewerb gefordert, denn sehr selbstbewusst hatten sich Christ & Gantenbein über die Auslobung hinweg gesetzt: Mit einem prägnanten dreigeschossigen Museumskopfbau und einer deutlich davon abgesetzten Stadtbebauung im hinteren Bereich des Grundstücks umgingen sie die zentrale Forderung nach einem 1.000 qm großen Ausstellungssaal im Untergeschoss des Neubaus, die zu einer horizontalen Staffelung der Funktionen geführt hätte. Innerhalb des backsteinernen Gefüges bleiben die einzelnen Stadtbausteine erkennbar, die jeweilige Funktion bestimmt den Grad der Fassadenöffnung.

Städtebaulich erinnert diese Figur an den benachbarten Gürzenich. Zum Marsplatz präsentiert sich die Museumserweiterung mit einer geschlossenen Backsteinwand, die über der Attika sichtbaren Oberlichter erscheinen wie Zinnen einer wehrhaften Festung. Doch die Architekten spielen mit der Kleinteiligkeit des Mauerwerks und erzeugen durch unterschiedliche Formate und Färbungen der Steine eine dezente horizontale Schichtung, mit der sie auf die Geschichte des Ortes verweisen möchten. Und noch ein Bild findet in der Fassade Verwendung, dort, wo der aufgebrochene Sockelbereich den schweren Bau aus der Erde zu stemmen scheint, werden in den Stützen und Streben die Namen der Museumsstifter sichtbar. Nicht auf den ersten Blick und nicht aus jeder Position, aber die Geste ist da – auch wenn sie, wie Christ selbst feststellen musste, vielleicht ein wenig pathetisch wirkt.

Er habe den Ungersbau neu schätzen gelernt, sagte Christ. Verständlich also, dass er das Foyer wieder in den ursprünglichen Zustand zurückführen möchte. Nicht ganz uneigennützig, denn nur in der freigeräumten Eingangshalle kann die lange Treppe ins Untergeschoss eingesetzt werden. Dass diese Treppe, über die der Erweiterungsbau erschlossen wird, schräg in Ungers dogmatischem Raster sitze sei keine Willkür und kein Affront, erklärte Christ, sie folge der Flucht, die das „Haus zur Roten Tür“, eine im Untergeschoss des Museums integrierte Ausgrabungsstätte, vorgebe. Über eine Verbindungshalle unter der Martinstraße werden die Besucher in den unteren der drei Ausstellungsräume des Erweiterungsbaus gelangen. Zwei Treppenhäuser verbinden die übereinander liegenden Ausstellungsräume und erschließen Cafe und Museumspädagogik sowie die technischen Nebenräume. Als klassisch und flexibel charakterisieren die Architekten die Ausstellungsräume, die erst in der Addition der Flächen auf die gewünschten 1.000 qm kommen. So wird das Museum noch einmal neu denken müssen, wie die Ausstellungen in Zukunft gezeigt werden. Doch der Direktor des Museums, Marcus Dekiert, zeigte sich glücklich mit der Entscheidung und verwies auf die hohe Kompetenz von Christ & Gantenbein im Museumsbau, die sie derzeit in Basel und Zürich unter Beweis stellen.

2. Preis: Peter Kulka (Köln) 40.000 €

Dass sowohl der zweite als auch der dritte Preis an ein Kölner Büro vergeben wurden, zeigt, dass die Komplexität der Entwurfsaufgabe eine besondere Orts- und Sachkenntnis erforderte. Und so wagte es auch das Büro Peter Kulka, die horizontale Schichtung der Funktionen zu verwerfen und den Komplex vertikal zu gliedern. Auch hier liegen die Museumsräume im Gebäudekopf. Dieser ist jedoch mit einer als Passage und Terrasse deutlich ausgebildeten Fuge von der dahinter liegenden kleinteiligen Wohnbebauung abgesetzt. Mit dem Gesicht zum Rathaus- und Marsplatz soll der Neubau das seit Jahren an dieser Stelle geplante Ensemble von Kulturbauten komplettieren. Mit einem großen Fenster hinter dem im Hochparterre das Café liegt, öffnet sich das Museum zur Stadt. Vollkommen unerwartet fällt diese freundliche Geste aus, denn der Baukörper steht – massiv und kantig ohne Sockel und ohne Attika – wie ein Fels in der Stadt. Formal wird hier eine Verbindung zu Ungers aufgenommen ohne dem deutlich dominanteren Nachbarn zu nahe zu kommen. Gewisse Ähnlichkeiten mit dem Vorzeigemuseum Kolumba lassen sich aber nicht von der Hand weisen.

Die Verbindung der beiden Baukörper erfolgt auf sensible und unspektakuläre Weise, da Kulka den Funktionskern im Foyer des Ungersbaus nutzt, um dort auf der Mittelachse des Rasters eine Treppe einzufügen. Ein unterirdischer Verbindungsgang führt in die untere Ausstellungsfläche, die über einen hohen Luftraum und eine auffällige Treppe mit der im Obergeschoss liegenden zweiten Ausstellungsfläche verbunden ist.

3. Preis: Gernot Schulz (Köln) 20.000 €

Gernot Schulz hat sich streng an die Ausschreibung gehalten und einen knapp 1.000 qm großen Raum für Wechselausstellungen zur Basis seines Entwurfs gemacht. Aus der zunächst als Blockschließung angelegten Grundrissfigur entwickelte er eine lebendige Kubatur, denn auch er suchte die Anpassung an die altstädtische Kleinteiligkeit. Dazu gliederte er den großen Baukörper mit einer giebelständigen Dachlandschaft, akzentuierte das Volumen mit Rück- und Höhenversprüngen und strukturierte die Klinkerfassade mit feinen Lisenen. So entstand das Bild eines Gebäudes, das nicht den Eindruck einer Trutzburg vermittelt, sondern seinen musealen Habitus (so in der Auslobung formuliert) durch seine Außergewöhnlichkeit ausdrückt. Bewusst setzt Schulz sich von Ungers rigider Entwurfshaltung ab und plant etwas ganz eigenes, das im Kölner Stadtbild vertraut aber nicht altbacken wirkt. Schulz war es wichtig, dass das Gebäude eine eigene Adresse hat, deshalb betont er den in einem kleinen Hof liegenden Zugang zu den Büros und Wohnungen mit einer „negativen Ecke“ an der dem Museum zugewandten Kopfseite.

Jurymitglied Christel Drey hob hervor, dass Schulz die sensibelste Lösung für den Übergang vom Bestand in den Neubau gefunden habe. Dort wo sich heute in der Ecke die Museumspädagogik befindet, schlug Schulz eine breite einläufige Treppe vor, die direkt in die große Ausstellungshalle im Untergeschoss des Neubaus führt. Durch die großzügige Raumhöhe entsteht ein Fensterband, das den Besuchern einen Rückblick auf den Ungersbau erlaubt, aber auch Einblicke aus dem Stadtraum ins Museum zulässt, sofern dies gewünscht ist.

Einen Ankauf erhielt das Büro Georg. Scheel. Wetzel Architekten aus Berlin.

Ob die Grundsteinlegung nun 2018 oder vielleicht schon 2015 sein wird, erscheint fast nebensächlich, wenn nur erst einmal geklärt ist, wie der Neubau finanziert werden soll. Alleine wird die Stadt die veranschlagten 17 Millionen Euro nicht aufbringen können und ist auf die Zusammenarbeit mit privaten Investoren anwiesen. In diesem Fall erweist es sich wahrscheinlich als durchaus sinnvoll, dass Christ & Gantenbein eine so deutliche räumliche Zäsur in ihren Entwurf eingearbeitet haben.

Die Entwürfe werden ab Mittwoch, 20. November 2013, für mindestens zwei Wochen im Foyer des Wallraf-Richartz-Museums ausgestellt.

Uta Winterhager

 

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Emanuel Christ erläutert seinen Entwurf.

Foto: Uta Winterhager

1. Preis: Perspektive vom Standort vor dem (zukünftigen) Jüdischen Museum

Grafik: Christ & Gantenbein

1. Preis: Grundriss UG

Grafik: Christ & Gantenbein

1. Preis: Grundriss EG

Grafik: Christ & Gantenbein

2. Preis: Grundriss EG

Grafik: Peter Kulka

2. Preis: Perspektive vom Standort Marsplatz

Grafik: Peter Kulka

3. Preis: Gundriss EG

Grafik: Gernot Schulz

3. Preis: Perspektive vom Standort zwischen Ungersbau und (zukünftigem) Jüdischen Museum

Grafik: Gernot Schulz

3. Preis: Perspektive der Wechselausstellungshalle im Untergeschoss. Die Treppe führt ins Foyer des Wallraf-Richartz-Museums, dessen Fassade im Fenster sichtbar ist.

Grafik: Gernot Schulz