Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Familienaufstellung bei den Böhms

Ein Dokumentarfilm über Architektur als Psychologie-Lehrstück

Gottfried, Peter, Paul, Stefan, der über allem schwebende Dominikus und die gute Seele Elisabeth – was für eine Familie! Eine Architektendynastie – so meinen wir – in der seit Generationen alles rund läuft: erfolgreich, harmonisch, produktiv.

Und so deutet Gottfried im Film „Die Böhms – Architektur einer Familie“ voller Vaterstolz vom Riesenrad der Deutzer Kirmes auf die Großprojekte der Söhne: die Arena von Peter, die Moschee von Paul. Natürlich blickt der Film auch auf die legendären Projekte des Vaters, wir besuchen den Mariendom in Neviges und erleben, wie Gottfried im von ihm selbst entworfenen Bensberger Rathaus nach einer Sitzgelegenheit sucht. Schön, diese Projekte alle wieder zu sehen.

 

Konkurrenz der Brüder

Großartig aber, wie der Film den Zuschauer mitnimmt in die Familie Böhm. Der junge Regisseur Maurizius Staerkle-Drux ist ein Freund der Familie und sieht in Gottfried Böhm „trotz des hohen Altersunterschieds einen im Geiste gleichaltrigen, neugierigen und beeindruckenden Künstler.“ Mehr als zwei Jahre hat Staerkle-Drux mit der Familie zusammengelebt und gefilmt.

Paul und Gottfried Böhm. © Lichtblick Film GmbH/Foto: Raphael Beinder
Paul und Gottfried Böhm. © Lichtblick Film GmbH/Foto: Raphael Beinder

 

Er nimmt einen mit ins Wohnzimmer und an den Zeichentisch. Dort erlebt der Zuschauer, dass auch im Familienunternehmen Böhm nicht alles so harmonisch läuft. Es ist zwar eine Familie, aber es sind vier eigenständige Büros – und vor allem vier sehr eigensinnige Charaktere. „Irgendwie hat sich der Paul da reingedrängt“, hören wir Peter fluchen, „und ich brauch‘ dringend Aufträge.“ Ganz klar sieht er die Brüder als konkurrierende Unternehmer. Und Paul bestätigt: „vielleicht ist es sogar die gleiche Situation, wie als Zehnjährige.“ Peter sagt von sich, er habe manches anders gemacht, als seine Brüder, dabei ist es eigentlich Stephan, der sich architektonisch am weitesten von den familiären Wurzeln entfernt hat. Er baut viel in China, lässt sich mitreißen von der dort herrschenden Dynamik. Als aber die Projekte ins Stocken geraten, wirkt er verloren, sitzt einsam in der Bauruine, statt mit den Brüdern beim Abendessen.

Stephan Böhm in China. © Lichtblick Film GmbH/Foto: Raphael Beinder
Stephan Böhm in China. © Lichtblick Film GmbH/Foto: Raphael Beinder

 

Einfluss des Vaters

Wie das so ist mit Familien: Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Nähe und Distanz zu finden, ist schwierig. Und die Muster wiederholen sich über die Generationen hinweg. Sind sich doch Peter, Paul und Stephan einig, dass das Verhältnis zum Vater schwierig ist. „Er mischt sich ein“, erklärt Paul. Und Stephan: „Mein Vater hätte es gerne gesehen, wenn wir in seinem Sinne weitermachen.“ „Mein Vater hat mich immer schon als Nachfolger gesehen. Ich hatte Angst davor und wollte Bildhauerei machen“, sagt allerdings auch Gottfried über seine Anfänge unter Dominikus. Ein Statement des ersten Enkels der Architektur studiert, wäre an dieser Stelle sicher ebenso interessant gewesen, wie eines von Sohn Nummer vier, Markus, der eigentlich Informatiker gelernt hat, aber nun als Maler Bauwerke – auch der Familie Böhm – mitgestaltet.

 

Fixpunkt der Familie

Gottfried und Elisabeth Böhm; © Lichtblick Film GmbH/Foto: Maurizius Staerkle Drux
Gottfried und Elisabeth Böhm; © Lichtblick Film GmbH/Foto: Maurizius Staerkle Drux

 

Der Film aber konzentriert sich auf die Architekten-Kernfamilie. Deren eigentliche Hauptfigur ist wohl diejenige, die nie als eigenständige Architektin gearbeitet hat: Elisabeth. Ihre Altersdemenz, die Fürsorge ihres Mannes Gottfried und ihr Sterben, werden gezeigt. Das ist an einigen Stellen vielleicht zu intim, aber auch sehr versöhnlich. Liebevoll und voller Bewunderung bezeichnen alle die Mutter als Inspirationsquelle, ihre Kritik als essentiell für die Architektur des Vaters und ihre Erziehung als entscheidenden Einfluss auf die Söhne. Und so ist der Film „Die Böhms – Architektur einer Familie“ auch ein Denkmal für die Frau, die sich keine Denkmäler gebaut hat, aber deren Seele sicher in allen Gebäuden der Familie Böhm steckt.

Vera Lisakowski

 

Die Premiere des Films „Die Böhms – Architektur einer Familie“ ist am 23. Januar 2015, Gottfried Böhms 95. Geburtstag. Ab dem 29. Januar läuft er im Weißhaus, im Odeon und in der Filmpalette.

 

Eine Übersicht über die Kinos und Starttermine in weiteren Städten sowie den Trailer gibt es hier

 

Wir freuen uns sehr, dass wir in Kooperation mit realfiction fünf mal zwei Karten für diesen Film verlosen können. Informationen dazu finden Sie ab Montag, dem 26. Januar hier bei koelnarchitektur.de und in unseren facebook-Posts!

3 Kommentare

Ich bin der Auffassung, dass Frau Lisakowski, zweifellos unbeabsichtigt, manche der potentiellen Zuschauer davon abbringt, sich den Film anzusehen. Herausgreifen möchte ich aus ihrer Kritik hier nur – weil so ärgerlich – die von ihr heraufbeschworene, sicher besonders für weibliche Vertreter der Architektenzunft wahrnehmbare, Adenauer-Ära-hafte Marienverehrung der (nicht als Architektin in Erscheinung tretende, aber die Männer der Familie inspirierende) Frau Böhm .

Wie eine Familie sich aufstellt und organisiert, ist Privatangelegenheit und als solche zu respektieren, keine Frage. Die Bewertung der Rolle von Frau Böhm in der Familie durch Frau Lisakowski war zudem sicher nett und zartfühlend gemeint, erscheint aber im heutigen gesellschaftlichen Kontext verkitscht und rückschrittlich. Ich war unangenehm berührt.

Ein sicherlich sehenswerter Film, der erstmal sehr ehrlich, manchmal auch übertrieben pathetisch rüberkommt. Wenn man dann aber hinterher erfährt, dass es eigentlich vier Söhne in der Familie gibt, von denen drei Architekten geworden sind und der vierte mit keinem einzigen Wort erwähnt wird, er also in diesem Film gar nicht existent ist, wird es einem irgendwie mulmig…Gibt es da ein Familiengeheimnis? Komisch jedenfalls.