Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

„Das Ende ihres Lebenszyklus“

Über die Zukunft der denkmalgeschützten Fabrikhallen in Kalk

„Denkmalpflege bei knappen Kassen“ – ein trauriges Thema. Denkmalpflege bei knappen Kassen im Rechtsrheinischen – zum Schämen. Nach Komplettabriss des CFK-Geländes (bis auf den ehemaligen Wasserturm) wurde der freie Platz großräumig mit neuer Baumasse gefüllt. Das Ergebnis ist maximal weit von fühl- und lebbarer Urbanität entfernt. Ein Sündenfall, der nicht wieder vorkommen darf, möchte man denken. Doch nun will die Stadt auch mit den beinahe letzten Resten der industriellen Vergangenheit Kalks kurzen Prozess machen, den denkmalgeschützten KHD-Gebäuden am Ottmar-Pohl-Platz:

„Letztlich ist festzustellen, dass die ehemaligen Industriehallen 76 und 77 der KHD in Köln Kalk das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben. Die Hallen wurden 1901 und 1906 errichtet. Daher hat die Kulturdezernentin nach Abstimmung mit der Gebäudewirtschaft am 24.02.2015 entschieden, das Bauaufsichtsamt zu bitten, den Abriss der Hallen anzuordnen,“ heißt es in der Mitteilung des Kulturausschusses vom 10.03.2015.

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Luftbild Kalk, ehemaliges KHD Gelände mit den beiden denkmalgeschützten Hallen am Ottmar-Pohl-Platz

 

 

Konsumgut Architektur

Organismen haben Lebenszyklen. Gebäude aber sind anorganische Gebilde und bedürfen der Pflege. Dass die städtische Verantwortliche an dieser schlichten Tatsache vorbeiargumentiert, wie soll man das verstehen? Der Stadt schließlich oblag die Pflege dieser Gebäude, die nun – endlich!? – ausreichend marode sind, um sie abzureißen. Oder stammt die Idee vom Lebenszyklus aus einer anderen Ecke? Der Vorstellung einer inhärenten Haltbarkeit begegnet man auch im Marketing und redet dort von einem Produktlebenszyklus, der Platz macht für neue Produkte. Auch kein schöner Gedankengang für eine Kulturdezernentin.

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Abriss einer weiteren Fabrikhalle an der Dillenburger Straße, der KHD Halle 5. Hier entsteht der „b3 campus köln“ von KF Architekten. Das wird fast so aussehen wie gegenüber der „Kalkatraz“, nur in Weiß. (Foto: Ira Scheibe)

 

 

Ein Gutachten, das das Gut achtet?

Die Stadt beruft sich auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten eines „Ingenieurbüros für Statik“. Durch die witterungsbedingte Korrosion des Stahls an der Stahlfachwerkwand und die damit verbundene Volumenvergrößerung werde ein sehr großer Druck auf das Gesamttragwerk der Hallen ausgeübt und die Standsicherheit sei nicht mehr gewährleistet. In einer gemeinsame Stellungnahme des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, des Rheinische Industriekultur e.V. und des Deutschen Werkbunds wird hingegen auf die jahrzehntelange Erfahrung mit der Sanierung schwerstgeschädigter Bauten im Ruhrgebiet hingewiesen und eine genaue bauliche Untersuchung des jetzigen Bestandes gefordert.

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Die Halle 77 wurde vom Museum Ludwig als Depot benutzt. (Foto: Boris Sieverts)

 

 

Wiedergutmachung für Kalk

Etwa sechzig interessierte Bürger haben sich in der letzten Woche zu einem Rundgang mit Boris Sieverts und Manfred Kreisch getroffen. Viele Fragen sind offen: Was steht genau in diesem Gutachten? Was wurde unternommen, um Interessenten und Investoren zu finden? Warum werden die Bürger erst informiert, wenn die Sache schon beschlossen scheint? Warum wird stets die linksrheinische Schauseite poliert und die reichen Zeugnisse einer großen industriellen Vergangenheit werden willfährig Investoreninteressen überlassen?

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Noch ist der Abrißantrag nicht beschieden. Es ist zu hoffen, dass sich Widerstand formiert gegen dieses passive Denkmalvernichtungsverfahren, dass – ließe es sich denn durchsetzten – möglicherweise auch vor den Werksbauten in Mülheim nicht halt machen würde. In der heutigen 2. Sitzung des Unterausschusses Kulturbauten steht eine Anfrage der Fraktion Die Linke zum „Zustand der Hallen 76 und 77 in Köln-Kalk“ auf der Tagesordnung.

Boris Sieverts stellt einen Adressverteiler zusammen, schreiben Sie an borissieverts@gmx.de.

 

 

Ira Scheibe

 

2 Kommentare

Der Kölner „Denkmalschutz“ ist Realsatire. Aber wenn ein Gebäude mit Privatinitiativen gerettet wird (z.B. Alter Wartesaal) schmückt sich die Stadt damit. Und um schmucke Backsteingebäude wird sich gekloppt.