Wie sieht ein neues und zukunftsweisendes Wohnquartier aus? Welche stadträumlichen Qualitäten sind nötig und welche soziale Mischung möglich? Seit einigen Jahren lobt das MBWSV einen Landeswettbewerb zu aktuellen Fragen des Wohnungsbaus aus. 2015 hat das Ministerium unter Michael Groschek gemeinsam mit der Kölner Wohnungsbaugesellschaft GAG als Investor und Bauherr einen Wettbewerb in Köln Chorweiler ausgelobt. Dort soll auf einem freien Grundstück im Norden gegenüber der Waldorfschule eine neue Nachbarschaft entstehen. Nun wurde das Ergebnis bekannt gegeben: Unter den 24 Beiträgen vergab die hochkarätig besetzte Jury unter dem Vorsitz von Prof. Ludwig Wappner vier Preise und zwei Anerkennungen. Die Realisierung des Gewinnerentwurfes ist damit auf den Weg gebracht.
Dass gerade in Köln-Chorweiler nun ein neues Stück Stadt mit Vorbildcharakter entsteht, führt eine Tradition im Norden Kölns weiter, die schon in den 1920er Jahren mit den Plänen des Stadtbaudirektors Fritz Schumacher für eine große Stadterweiterung begann. Die verschiedenen Quartiere der sogenannten „Neuen Stadt“ Köln Chorweiler spiegeln über Jahrzehnte die Positionen und Ideen der Stadtplanung wider. Aus den ersten Einfamilienhausgebieten in den 1950er Jahren über die Hochhaussiedlung aus den 1970er Jahren bis zur Ökosiedlung in Blumenberg Ende der 1990er Jahre wurde dieser nördliche Planungsraum zur Umsetzung neuer Bedürfnisse genutzt. Auch wenn nicht alle Bauabschnitte geglückt sind, wird die einseitige Reduzierung auf das Stigma einer sozial schwierigen Trabantenstadt den Wohnqualitäten und vielerorts gelungenen Nachbarschaften im Stadtteil nicht gerecht.
Ein Stück Stadt auf der grünen Wiese
Das 2,2 Hektar große Planungsgebiet befindet sich im wörtlichen Sinne auf der grünen Wiese und verknüpft im Idealfall ein sehr heterogenes Umfeld von Einfamilienhausstrukturen, verdichtetem Wohnungsbau und Sonderbausteinen. „Ziel des Wettbewerbs war es, ein innovatives Wohnungsbaukonzept für einen möglichst breiten Bevölkerungsquerschnitt zu entwickeln. Hierbei sollte Chorweilers besondere städtebauliche Struktur eines verdichteten Stadtraums in einem großzügigen grünen Umfeld weitergeführt und abgerundet werden“ beschreiben die Auslober ihre Aufgabenstellung. Die Bebauungshöhe war mit vier Geschossen plus Staffelgeschoss vorgegeben, die Dichte sollte sich mit einer GRZ von 0,4 und einer GFZ von 1,2 in den Werten für Allgemeine Wohngebiete bewegen. Vor allem ein 60%iger Anteil an Sozialwohnungen, sowie die Integration einer Flüchtlingsunterkunft, setzen die aktuellen Anforderungen in ein zeitgemäßes Anforderungsprofil um. Besonderes Augenmerk wurde in diesem Wettbewerb auf die Qualität der öffentlichen und gemeinschaftlichen Außenräume und auf die Priorisierung der Flächen für Fußgänger- und Fahrradfahrer gelegt. Der Blick auf die Schwarzpläne der Gewinner zeigt deutlich, dass die Teilnehmenden die städtebauliche Freiheit genutzt haben, die ihnen das Umfeld gewährte.
Wohnen am Anger
Der Siegerentwurf des jungen Büros Querfeld Eins aus Dresden schafft den Spagat zwischen einer deutlichen Ost-West Wegebeziehung einerseits und einem eindeutigen Quartierszentrum andererseits. Während die Bebauung die äußeren Kanten des Baugrundstückes klar nachzeichnet, entwickelt sie im Inneren des Quartiers vielfältige Außenräume. Die zentrale Aufweitung einer Ost-West-Achse als sogenannter „Anger“ lässt Nutzungsmöglichkeiten für alle Bewohner offen. Die Gemeinschaftsgärten, der sich nördlich anschließenden Wohnhöfe, schaffen hierzu einen grünen Kontrapunkt. Mit dieser Lösung setzen sie sich deutlich von den Mitbewerbern ab: während dort entweder die klare Orientierung und Wegebeziehung fehlt oder die Qualität der Gemeinschaftsflächen und Grünräume nicht eindeutig ablesbar ist, vereint das Wohnen am Anger tatsächlich beide Anforderungen zu einer einfach wirkenden Lösung.
Die Themen soziale Mischung oder ökologischer Wohnungsbau bilden die Entwürfe derzeit nicht ab. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der städtebaulichen Form. Hoffen wir sehr, dass flexible Grundrisse und eine energetisch ähnlich zukunftsorientierte Bauweise von der GAG noch eingefordert und umgesetzt werden. Die wohl in der Jury umfangreich geführte Diskussion um innenliegende Bäder wird wohl kaum der Schlüssel zu Wohnungstypen sein, die verschiedenen Kulturen und Bedürfnissen des Wohnens innerhalb eines Gebäudes gerecht werden. Gelingt aber eine gute Weiterentwicklung des Siegerentwurfs, kann wirklich eine vorbildliche und beliebte Nachbarschaft entstehen- und das ausgerechnet in Köln Chorweiler.
Die Preisträger des Wettbewerbs sind:
1.Preis
Querfeld Eins, Architektur und Stadtplanung (Daniel Stöcker-Fischer) mit Querfeld Eins Landschaftsarchitektur (Annegret Stöcker)
2.Preis
raum-z architekten GmbH, Frankfurt am Main (Prof. Thomas Zimmermann) mit Keller&Keller Landschaftsarchitekten, Kronberg im Taunus (Petra Keller)
4.Preis
kresings architektur gmbH, Münster (Riner+Kilian Kresing) mit Greenbox Landschaftsarchitekten, Köln (Hubertus Schäfer)
4.Preis
KUBIK ARCHITEKTUR Fuchs-Lindner GbR, Hannover (Elias Fuchs, Frank Lindner) mit urbane Gestalt, Köln (Johannes Böttger)
Anerkennung
rethmeierschlaich architekten, Köln (Andre Rethmeier, Christoph Schlaich) mit stern landschaften, Köln (Doron Stern)
Anerkennung
ARCHITEKTEN STEIN HEMMES WIRTZ, Frankfurt am Main (Roger Wirtz) mit HKK Landschaftsarchitektur GmbH (Johannes Cox)
Weitere Infos:
Das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen hat gemeinsam mit der GAG, der Stadt Köln und der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen eine Wettbewerbsdokumentation erstellt, die unter der folgenden Adresse bestellt werden kann:
Gemeinnützige Werkstätten Neuss, Am Henselgraben 3, 41470 Neuss, Fax: 02131 9234-699, Mail: mbwsv@gwn-neuss.de
Ragnhild Klußmann
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