Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Wir nennen es Ludwig – Das Museum wird 40!

25 plus 1 Sichtweisen des Museums

Der Titel der Ausstellung klingt wie der Ausruf der stolzen Eltern im Kreissaal: „Wir nennen es Ludwig“. Einfach, lapidar sollte er sein, erläutert Direktor Yilmaz Dziewior, obwohl es auch gute Gründe für Pauken und Trompeten gegeben hätte. Seinen Vierzigsten feiert das Museum, als Jahrestag gilt hier die Unterzeichnung des Vertrages, mit dem Peter und Irene Ludwig im Februar 1976 der Stadt Köln rund 350 Werke der Kunst der 1960er und 70er Jahre, darunter zahlreiche Ikonen der amerikanischen Pop-Art, schenkten. Damit hatten sie einen zwar ideellen, aber so manifesten Grundstein für die Gründung eines Museums gelegt, dass sie es sich erlauben konnten, die Stadt damit zu verpflichten, ihrer Sammlung ein eigenes Haus zu bauen. Ein würdiger Rahmen war gewünscht und der sollte mit dem Neubau zwischen Dom und Strom genau zehn Jahre später auch gegeben werden. Noch ein Jubiläum also – und für uns ein Grund, zunächst das Museum und dann seine Geburtstagsausstellung genauer zu betrachten.

 

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Kritik öffentlich gemacht. Die Situation wie sie ist und besser wird. Fakten zur feministischen Sicht auf das Museum auf dem Plakat der Guerilla Girls. Foto: Uta Winterhager

 

Zwischen Dom und Strom

Bereits 1975 hatte die Stadt einen Ideenwettbewerb ausgelobt, um ein Problem anzugehen, an dessen Lösung sie selbst fast nicht glaubte, doch Busmann + Haberer gelang das unmöglich Scheinende. Sie entwarfen ein gemeinsames Heim für das älteste Museum der Stadt Köln, das Wallraf-Richartz-Museum und das jüngste, das soeben gegründete Museum Ludwig. Unterirdisch integrierten sie die Philharmonie und fügten diese gewaltigen Baumasse so in das städtebauliche Vakuum zwischen Dom und Rhein ein, dass die Nähe dieser beiden Pole wieder erfahrbar wurde. Die Architekten wollten hier kein Gebäude errichten, sondern die Stadt im Maßstab der Altstadt fortschreiben, eine aufgelöste und durchwegte Struktur schaffen, die sich mutig in die Zwischenräume des direkten Domumfeldes hereinschiebt, hier verdichtet und verbindet, um sich schließlich mit großzügiger Geste zum Rhein zu öffnen. Flächig und ortsfremd wirken die zinkverkleideten Fassaden und die fast endlos aufgereihten Sheddächer heute noch immer, doch markieren sie, wie die hellroten Ziegel als Vorsatzschale und Straßenpflaster, ihr eigenes Terrain.

 

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Kuehn Malvezzi Unsichtbare Architektur (Museum Ludwig), 2016 Courtesy Kuehn Malvezzi. Foto Uta Winterhager

 

Der Übergang von Außen nach Innen verläuft, ganz Kind seiner Zeit, schwellenlos, wurde jedoch durch die dunkle, niedere Eingangshalle ins lichte, offene Foyer dramatisch überspitzt. Seitdem Wallraf das Museum 2001 in den Ungers-Bau umgezogen ist, nutzt das Museum Ludwig die rund 9.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche alleine. In diesem Zusammenhang wurde auch die Eingangssituation neu strukturiert und die interne Erschießung ergänzt. Die Eingangshalle wurde von sämtlichen Einbauten befreit und als Passage definiert, die Kasse weiter ins Museumsinnere verschoben, von wo die eindrucksvolle Treppenanlage die Besucher zu den Ausstellungsräumen führt. Doch in Köln kann das Nachdenken über die Gestalt der Stadt nie aufhören. Mit der Sanierung der Domumgebung Ost (Allmann Sattler Wapper, München) ist ein großer Schritt gemacht, desweitern stehen noch der Kurt-Hackenberg-Platz (Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich) und die Historische Mitte auf der Agenda, denn immer wieder muss man sich fragen, ob dieser Standort, betrachtet man ihn von der Stadtseite, in der zweiten Reihe hinter dem Römisch-Germanischen-Museum wirklich angemessen ist.

 

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Candida Höfer Museum Ludwig I 2001, 2001 Inkjet Print 148 x 148 cm © Candida Höfer, Köln; VG Bild-Kunst, Bonn 2016

 

Drei Gründe zum Feiern

Nun feiert das Museum Ludwig im Jahr 2016 neben dem Jubiläum der spektakulären und folgenreichen Schenkung von Peter und Irene Ludwig auch den 30. Geburtstag seines Hauses und würdigt in diesem Zusammenhang auch seinen zweiten Patron Josef Haubrich, der mit seiner Schenkung von Werken der Klassischer Moderne und des Expressionismus den Grundstock für die Sammlung des Museum Ludwigs, bereits dreißig Jahre vor dessen tatsächlicher Gründung, gelegt hatte.

 

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Performance aus dem Beitrag von Alexandra Pirici & Manuel Pelmuş. Ei Weiweis Fahrradturm wirft hier nur einen Schatten an die Wand. Foto: Uta Winterhager

 

Weltkunst genau hier

Doch es wäre nicht das Museum Ludwig, wenn es nur zeigen würde, was es hat. Nein, Yilmaz Dziewior wollte mehr und mehr erfahren über die Sammlung, die Institution und das Haus selbst. Und weil es ein großes Fest werden sollte, wählte er mit seinem gesamten Kuratorenteam 25 Künstler aus, und forderte ihre Sichtweise des Museums ein. Dabei dachte er ebenso global (Ai Weiwei) wie lokal (Rosemarie Trockel), fragte die Etablierten (Gerhard Richter) und die Jungen (Avery Singer), Experten für den Raum (Kuehn Malvezzi) und die Performance (Alexandra Pirici & Manuel Pelmuş). Er holte sie nach Köln, führte sie durch Museum und Depot und erläuterte ihnen vor Ort die Geschichte und die Architektur. Und nun haben sie geliefert und jeder für sich und doch zusammen eine Ausstellung geschaffen, die der Direktor, wenn es nicht so schrecklich klingen würde, als Institutionskritik bezeichnen würde. Das Museum als Gebäude hat diesen Akt vollkommen unbeschadet überstanden, kaum eine Arbeit rührt wirklich an der Bausubstanz. Allein die Guerrilla Girls haben ein großes Plakat an die rückwärtige Fassade hängen lassen, auf dem sie „Die Vorteile ein eigenes Kunstmuseum zu besitzen“ erläutern. Brauchen wir also kein städtisches Museum? Doch, denn eine bessere Spielwiese könnten sich Künstler und Kunstliebhaber kaum wünschen, wenn einmal alles erlaubt ist.

 

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Der Eingang in die Ausstellung ist verstellt: Ahmet Öğüt Bakunins Barrikade, 2014/ 2016 Installation, Objekte aus dem öffentlichen Raum und Gemälde aus der Sammlung des Museum Ludwig. Foto: Uta Winterhager

 

Christian Philipp Müllers Fragen nach der Rolle der Stifter und Schenker eröffnet die Ausstellung, die Ahmen Ögut mit Bakunin’s Barricade gleich wieder schließt. Was aussieht wie das Schlachtfeld eines Straßenkampfes, der teilweise im Depot des Museums stattgefunden haben muss, ist für den Fall eines Aufstandes zum Einsatz an der Front bestimmt. Im nächsten Raum inszenieren Alexandra Pirici & Manuel Pelmuş Werke aus dem Bestand des Museums. Kurios die Bilder, die durch die Überschneidung der performativen Umsetzung von Max Beckmanns Die Schlacht vor der Kulisse von Ai Weiweis Fahrradturms Forever entstehen. Ai Weiwei spielt den Ball weiter und lässt eine Videoaufnahme seiner Installation live ins erste Obergeschoss übertragen, wo Marcel Duchamps Fahrradrad in der permanenten Dada-Ausstellung steht.

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Hans Haacke Der Pralinenmeister, 1981 © Hans Haacke/ VG Bild-Kunst. Courtesy Paula Cooper Gallery, New York Foto: Roland Fritsch

 

Sie forderten eine Institutionskritik und bekamen sie auch

Im wörtlichen Sinne plakativ ist die feministische Kritik girlsplaining / SieErklärung der Guerilla Girls am Museum als Institution allgemein und konkret am Ludwig. Denn hier gibt es in Form von Zahlen deutliche Hinweise auf dringenden Verbesserungsbedarf der Gastgeber. So richtig an die Substanz des Museums im Sinne seiner Architektur hat sich keiner der Künstler gewagt. Auch Kuehn Malvezzi, die als Architekten eigentlich die Verpflichtung dazu gehabt hätten, visualisieren nur Unsichtbare Architektur – ein leeres Foyer, das vielleicht der Anfang für etwas Neues sein könnte – mehr erfahren wir darüber jedoch nicht. Offensichtlich reizt es die Künstler weit mehr, sich mit der Institution und ihren Köpfen zu befassen. Hans Haackes 7 Diptychen „Der Pralinenmeister“, eine kritische Recherche über die Familien- und Unternehmensgeschichte des Schokoladenfabrikanten- und Kunstsammlerpaars Peter und Irene Ludwig von 1981 wird fortgeschrieben von Marcel Odenbachs für die Ausstellung produziertem Video Ein Bild von einem Bild machen. Denn auch ein Mann wie Peter Ludwig hat Geschichte und Gründe. Noch weiter ad absurdum führt Maria Eichhorn die Aufgabe in ihrer Geburtstagsgabe Arbeitsvertrag zwischen der Stadt Köln, vertreten durch die Oberbürgermeisterin, und Frau Maria Eichhorn den Prozess dokumentiert hat, der zum Abschluss eines Arbeitsvertrags mit ihr als Künstlerin geführt hat. Weiter weg von den Erwartungen des Kunstpublikums kann man sich kaum entfernen. Freuen wir uns also, denn Hurra, es ist ein Ludwig!

 

Uta Winterhager

 

Teilnehmende Künstler: Georges Adéagbo, Ai Weiwei, Ei Arakawa & Michel Auder, Minerva Cuevas, Maria Eichhorn, Andrea Fraser, Meschac Gaba, Guerrilla Girls, Hans Haacke, Diango Hernández, Candida Höfer, Bodys Isek Kingelez, Kuehn Malvezzi, Christian Philipp Müller, Marcel Odenbach, Ahmet Öğüt, Claes Oldenburg, Pratchaya Phinthong, Alexandra Pirici & Manuel Pelmuş, Gerhard Richter, Avery Singer, Jürgen Stollhans, Rosemarie Trockel, Villa Design Group, Christopher Williams

 

Die Ausstellung läuft bis zum 8. Januar 2017 im Museum Ludwig.