Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Wenn das Museum baden geht

Umnutzung statt Abriss – das StadtMuseum Bonn im Viktoriabad

Vor genau einem Jahr haben wir an dieser Stelle über Schwimmbadschicksale berichtet, die zum Teil traurig, zum Teil aber aber durchaus ermutigend waren. Denn auch als Museen für Kunst, Antikes und sogar für die Binnenschifffahrt scheinen die großen Hallen nach Verabschiedung der Badegäste gut zu funktionieren. In Bonn ist seitdem viel geredet worden, eine Bürgerwerkstatt zur Umnutzung des Viktoriakarrees läuft und das StadtMuseum hat nicht locker gelassen und einen jungen Aachener Architekten gefunden, der die Idee von der Schwimhalle als Ausstellungshalle für Bonner Stadtgeschichte visualisiert hat. Dieses Bild erreicht uns nun mit einer Presseerklärung, die wir gerne veröffentlichen:

 

Derzeitiger Zustand der großen Schwimmhalle im Viktoriabad, Bonn © Foto: Gisbert Knopp

 

Die breit angelegte Diskussion der Bürgerwerkstatt Viktoriakarree um die Neu- resp. Umgestaltung des Areals „Viktoriakarree“ konzentriert sich neben städtebaulichen Fragen insbesondere auf ein tragfähiges und umsetzbares Nutzungskonzept sowie eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem vorhandenen Baubestand. Geprüft werden sollte mit besonderer Priorität, die Möglichkeit einer Integration des StadtMuseums Bonn in das Bebauungs- und Nutzungskonzept.

Das StadtMuseum hat seit Ende der 90er Jahre eine würdige Bleibe in dem Seitentrakt des Viktoriabades – auf der Stelle des abgebrochenen Franziskaner Klosters – gefunden, der für 4,5 Millionen DM entsprechend hergerichtet wurde: 1.200 Quadratmeter Ausstellungsfläche sind hier entstanden, die das Museum dringend benötigt, um 2000 Jahre Bonner Stadtgeschichte auch nur annähernd sinnvoll illustrieren zu können.

Der Vorschlag des Vorsitzenden des Fördervereins StadtMuseum Bonn, Prof. Gisbert Knopp, die seit Jahren leerstehende Schwimmhalle des Viktoriabades für museale Zwecke der Stadtgeschichte zu nutzen, fand nun Eingang in den von der „Bürgerwerkstatt Viktoriakarree“ erarbeiteten Entwurf der Aufgabenstellung für die Planerwerkstatt.

 

Die Stadtgeschichte geht ins Tiefe

Visualisierung David Breuer, Aachen

 

Eine von David Breuer (Aachen) erstellte Visualisierung illustriert den Vorschlag des Museumsvereins: In den vorhandenen Raum wird eine offene Konstruktion mit Ausstellungsflächen auf mehreren, versetzten Ebenen gestellt, die nicht in die Außenwände einbindet. Diese unabhängig in der Raumhülle stehende Konstruktion hat den Vorteil, dass sie nicht in das 8 x 30 Meter große, denkmalwerte farbige Fenster einschneidet, sondern es in der ganzen Fläche erlebbar macht: Das Fenster könnte das erste wandfeste Exponat des Museums werden. Beibehalten bleibt auch das große Schwimmbecken, das mit seinem aufsteigenden Boden als Vortragsraum bestens genutzt werden könnte. Auch der Sprungturm und weitere zahlreiche Details der Ausstattung zeugen von der ehemaligen Funktion als Schwimmbad.

Für das StadtMuseum wäre die Schwimmhalle des Viktoriabades mit ihrer schlichten, charakteristischen Ästhetik der Nachkriegsarchitektur der ideale Standort für eine moderne, nach neuesten Kriterien konzipierte stadtgeschichtliche Sammlung: Das visuelle Gedächtnis der Stadt für 2000 Jahre Bonner Stadtgeschichte.

Dass derartige Umnutzungen gelingen können, zeigen zahlreiche Beispiele im In- und Ausland. Das nächstgelegene davon befindet sich in Duisburg, das Museum der Deutschen Binnenschifffahrt in einem aufgegebenen Jugendstilbad.

Gisbert Knopp, Vorsitzender des Fördervereins StadtMuseum Bonn e. V., sieht abgesehen von der oft beschworenen Ressourcenschonung noch einen weiteren wichtigen Vorteil, denn eine behutsame Umnutzung für die Zwecke des StadtMuseums sei kostengünstiger als der Abriss der großen Schwimmhalle.

 

 

Studieren am Beckenrand

Visualisierung aus der Masterthesis von Sebastian Fischenich von der TH Köln

 

Unanbhängig von der Initiative des Fördervereins hat sich der Architketurstudent Sebastian Fischenich im Rahmen seiner Masterthesis in der Vertiefungsrichtung „Denkmalpflege/Planen im Bestand“ mit der Aufgabe beschäftigt, ein denkmalverträgliches Nutzungskonzept für das gesamte Schwimmbad – nicht nur für das seit 2013 unter Denkmalschutz stehende Fenster mit der Geysirlandschaft – zu entwickeln. Denn würde nur das Fenster erhalten bleiben und das Schwimmbad dahinter abgerissen werden, wäre dies so, als „… würde sich ein Bibliothekar nur für den Bucheinband interessieren!“, erläuterte Prof. Dr. Norbert Schöndeling von der TH Köln. So besitzt das Gebäude für die Denkmalpfleger der Kölner Hochschule insgesamt Denkmalwert und Sebastian Fischenich stellte sich damit eine spannende Aufgabe.

Bei seinen Recherchen zeigte sich, dass die Philologische Bibliothek der Universität einen neuen Standort benötigt. (Der, so wurde es inzwischen entschieden, auf dem Campus in Poppelsdorf neu gebaut wird). Aufgrund seiner sehr günstigen Lage bietet sich das Viktoriabad tatsächlich für eine universitäre Nutzung an. Besonderer Wert wurde bei dem Entwurf darauf gelegt, dass der Charakter des Schwimmbades erhalten und ablesbar bleibt.

Durch den Entwurf wurden nicht nur umfangreiche Lagerflächen für die Medien und Büroflächen für die Verwaltung geschaffen. Es entstanden insbesondere auch zahlreiche Arbeitsplätze, an denen die Studierenden einzeln oder in Gruppen lernen können. Dies gelang unter anderem dadurch, dass Sebastian Fischenich in die große Schwimmhalle eine mehrgeschossige Skelettkonstruktion hineinstellte, die den Hallencharakter bewahrt und das große Fenster zur Geltung kommen lässt. Selbst der Sprungturm und die Beckenumrandung blieben erhalten und machen das Studienzentrum zu einem einzigartigen und originellen Raum. Dass der Entwurf tatsächlich umsetzbar ist, zeigen die zahlreichen Entwurfszeichnungen zu den Baudetails. Die Masterthesis ist natürlich nur eine Vision, aber eine realisierbare und damit ein weiterer wertvoller Beitrag zur Zukunft des Quartiers rund um das Viktoriabad.

 

 

red|uw

 

 

 

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