Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Das neue Wohnzimmer

Ergebnisse der ersten Phase des städtebaulichen Verfahrens „Laurenz Carré“

Bereits im Februar haben wir kurz darüber berichtet: das zweistufige städtebauliche Verfahren Laurenz Carré ist angelaufen – und die erste Stufe nun beendet. Am Dienstag hat die GerchGroup AG aus Düsseldorf, Grundstückseigentümerin und Ausloberin, zu einem Zwischenkolloquium in das Senatshotel am Laurenzplatz eingeladen. Sechs Architekturbüros wurden zur Teilnahme am Verfahren aufgefordert und haben ihre ersten Konzepte für die städtebauliche Neukonfiguration des Areals vor Jury und Öffentlichkeit präsentiert. Die teilnehmenden Büros sind kister scheithauer gross architekten und Stadtplaner, Köln; Schilling Architekten, Köln; ingenhoven architects, Düsseldorf; Henning Larsen, Kopenhagen/München; Architekt Krischanitz, Wien/Zürich und baumschlager eberle architekten, Lustenau.

Der Bereich des Laurenz Carré beschreibt ein Areal in bester innerstädtischer Lage, südlich der Hohen Domkirche und des Roncalliplatz gelegen, entwickelt es sich von dort über zwei Blöcke östlich der Straße Unter Goldschmied. Damit befindet sich das Laurenz Carré in bester kultureller wie auch (bau-) geschichtlicher Nachbarschaft wie etwa dem Spanischen Bau, Historischen Rathaus, Wallraff-Richartz-Museum oder dem Gürzenich – um nur einige zu nennen. Und damit befindet es sich auch mitten auf der Kulturachse Via Culturalis.

Trotz Lage und Nachbarschaft auf „Sahneschnittchen-Niveau“, stellen sich die örtlichen Anforderungen und damit auch die Planungsaufgabe als höchst komplex dar: Die Straße Unter Goldschmied erscheint in ihrer Anmutung eher wie die Rückseite und Anlieferzone der Hohen Straße, Kölns großer Einkaufsstraße. Das undurchsichtig gewachsene Nebeneinander von Baustilen, Typologien, Maßstäben und Gebäudehöhen sowie die fast völlige Abwesenheit eines (hochwertigen) öffentlichen Raums, generieren eine teilweise unwirtliche stadträumliche Situation. Im Fokus des Verfahrens stehen daher die Gestaltung eines sinnvollen städtebaulichen Gerüsts in Form von Durchwegungen, Vernetzungen und Platzabfolgen sowie von angemessenen Baukörpern in Bezug auf Maßstäblichkeit und Höhenentwicklung, die funktionsfähige Verteilung der verschiedenen zukünftig gewünschten Nutzungen wie Wohnen, Einzelhandel, Hotel, Büro und Verwaltung sowie die Betrachtung und gegebenenfalls Integration denkmalpflegerischer Aspekte. Damit soll an dieser Stelle ein kraftvoller Impuls gesetzt werden – sowohl für die räumliche Aufwertung des Planungsgebietes, als auch für den Auftakt der Maßnahmen entlang der Via Culturalis.

 

Senatshotel wird Markthalle – kister scheithauer gross

© kister scheithauer gross architekten und Stadtplaner, Köln

 

kister scheithauer gross sieht für das Laurenz Carré die Entwicklung eines neuen Parzellenplans vor. Das hier zugrunde liegende Motiv orientiert sich an der kleinteiligeren Maßstäblichkeit und Körnigkeit der Parzellen vor dem Krieg. Der Entwurf sieht sechs Parzellen vor, die als individuell funktionierende Bausteine betrachtet werden und jeweils eine völlig eigene architektonische Handschrift ausbilden können und sollen. Die Wege- und Platzstruktur sowie die Setzung der Baumasse bleibt grundsätzlich erhalten. Im Umgang mit dem denkmalgeschützten Senatshotel stellt kister scheithauer gross die Frage in den Raum, was ein Abriss des Gebäudes für Möglichkeiten bringen könnte. Im Falle dieses Entwurfs ein neues Gebäude von allergrößter öffentlicher Wirkung: einer Markthalle, die die umliegenden Plätze bedienen soll und einen Rundumblick ermöglicht. Ein neues Hotel könnte dann im Obergeschoss seinen Platz finden.

 

Ein Netz von Plätzen und Wegen – Schilling Architekten

© Schilling Architekten, Köln

 

Die Grundlage des Entwurfs von Schilling Architekten beruht auf dem Gedanken, die räumlichen Verbindungen und das Netz von Plätzen zu stärken. Es soll eine neue Nord-Süd-Verbindung von der Hohen Domkirche zum Laurenzplatz geben. Der aktuell kaum als Platz wahrnehmbare Karl-Küpper-Platz soll nach Norden in den Kreuzungspunkt der neuen Nord-Süd-Verbindung und der zukünftig zur Fußgängerzone ausgebauten Großen Budengasse verlegt werden. Durch diese neue Durchwegung ergeben sich vier Baukörper, die in alle Richtungen Vorderseiten ausbilden sollen. Mit diesem Entwurfsvorschlag soll insgesamt eine bessere Vernetzung von Einkaufen, Kultur und Tourismus ermöglicht werden.

 

Ausbildung von Kreuzungspunkten – ingenhoven architects

© ingenhoven architects, Düsseldorf

Der Entwurf von ingenhoven architects folgt ebenfalls dem Gedanken einer besseren Vernetzung, um damit das Laurenz Carré als einen integralen Bestandteil des Quartiers zu entwickeln. Dabei steht auch hier der Gedanke im Vordergrund, die Nord-Süd-Verbindung vom Roncalli-Platz zum Laurenzplatz zu stärken sowie den Kreuzungspunkt an der Budengasse besonders auszubilden. Trotz der neuen Durchwegung, die sich aus der zusätzlichen Vernetzung ergibt, organisiert der Entwurf von ingenhoven architects die Baumasse weitgehend auf der bestehenden Struktur und lässt sich grob in einen nördlichen und einen südlichen Teil unterteilen. Die Durchwegungen sollen mit überdachten Bereichen durch die Gebäude hindurch ermöglicht werden. Ebenfalls soll das Motiv der Arkaden aufgenommen und entlang der Straße Unter Goldschmied weitergeführt werden. Der Karl-Küpper-Platz soll durch seine Integration in das Stadthaus, beispielsweise in Form eines Atriums, räumlich neu gefasst und aufgewertet werden.

„Das neue Wohnzimmer“ – Henning Larsen

© Henning Larsen, Kopenhagen/München

 

„Das neue Wohnzimmer“ – im Entwurf von Henning Larsen ist der Titel Programm. Denn diese Arbeit gründet auf einem besonderen Verständnis von Maßstäblichkeit, in Anlehnung an die Haltung des dänischen Architekten und Stadtplaners Jan Gehl: Städte für Menschen. Es sollen Räume entstehen, die zum Begegnen, Flanieren und Entspannen einladen. Dafür würden die geschlossenen Blockstrukturen aufgebrochen und die bisherigen Fassadenlängen aufgelöst werden. Die Baukörper sollen reduziert und der öffentliche Platzraum maximiert werden. Die sich daraus ergebende Notwendigkeit, in die Höhe zu bauen, soll über Staffelgeschosse gelöst werden. So könnte ein Bild von „Stadtblöcke entstehen, die vom Freiraum umspült werden.“ Dadurch ergibt sich besonders in diesem Entwurf eine stark ausdifferenzierte Straßen- und Platzabfolge sowohl in Nord-Süd-, als auch in Ost-West-Ausrichtung.

Hoftypologien – Architekt Krischanitz

© Architekt Krischanitz, Wien/Zürich

 

In Anlehnung an den Reinhardtplan von 1751 liegt das Leitmotiv im Entwurf von Architekt Krischanitz in einer gärtnerisch ausgestalteten Hoftypologie. Es wird eine Blockrandbebauung mit einer durchgehenden und angehobenen Erdgeschosszone und Hofflächen in den Obergeschossen vorgeschlagen. In diesem Entwurf orientieren sich die Wege- und Platzabfolgen sowie die Setzung der Baukörper weitgehend am Bestand, der öffentliche Raum soll in die Innenhöfe geholt werden. Dieses gestalterische Vorgehen soll differenzierte Einzelbaulösungen mit einem hohen Wahrnehmungspotenzial ermöglichen.

„Domdelta“ – baumschlager eberle architekten

© baumschlager eberle architekten, Lustenau

 

„Domdelta“ lautet der Name des Entwurfs von baumschlager eberle architekten. Es wird eine Struktur vorgeschlagen, die sich vom Dom ausgehend in Richtung Süden immer stärker verzweigt – ähnlich einem Delta. Für den Bereich nördlich der Großen Budengasse wird daher eine Solitärtypologie vorgeschlagen, für den südlichen Bereich hingegen soll die T-Typologie des Bestands (Bürgerzentrum) aufgenommen und vervielfältigt werden. Durch die baulichen Setzungen in diesem Entwurf ergibt sich ein dichtes Netz von Verbindungen in alle Richtungen. Der Karl-Küpper- und Laurenzplatz werden zu einer stadträumlichen Einheit zusammengefasst. Auch hier findet sich das Thema der Arkaden wieder, die für die Baukörper im nördlichen Bereich vorgesehen sind.

 

Zum Abschluss der Veranstaltung würdigte die Beurteilungskommission (Prof. Jörg Aldinger, Prof. Julia Bolles-Wilson, Prof. Dr. Barbara Engel, Ute Piroeth, Joachim Hein und Jürgen Minkus) das hohe Niveau der Arbeiten und stärkte alle Teilnehmer in ihrer Konzeption für die Weiterentwicklung der Entwürfe in der zweiten Phase. Dennoch sprach sie auch einige allgemeingültige Hinweise aus. So sollen die Teilnehmer beispielsweise prüfen, ob eine Verstärkung des Wege- und Platznetzes nicht gleichzeitig auch zu einer Schwächung der Achse der geplanten Via Culturalis führen könnte. Ebenso gab sie zu bedenken, ob das in einigen Arbeiten zitierte Thema der Arkaden an dieser Stelle der Stadt angemessen ist. Ebenso wird kritisch hinterfragt, ob die teilweise sehr schlanken bzw. sehr tiefen Grundrisse überhaupt sinnvolle Typologien zulassen. Auch zur Stadtsilhouette sprach die Jury einen Hinweis aus und verwies auf die von der Stadt gewünschte Traufhöhe von 20 Metern. Hier soll die umgebende Bebauung den Bezugsmaßstab darstellen.

Ein Wermutstropfen der Veranstaltung lag in dem geringen Interesse der Öffentlichkeit. Nach der Präsentation der Entwürfe standen rund zwei Stunden für den Austausch zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie den teilnehmenden Büros zur Verfügung. Dieses Angebot
wurde seitens der Öffentlichkeit nur sehr spärlich wahrgenommen, sodass zum Ende der Veranstaltung keine Anregungen aus der Bürgerschaft in die zweite Bearbeitungsphase eingespeist werden konnten.

Mit dem Abschluss dieser Veranstaltung ist das Verfahren nun in die zweite Phase gestartet. Am 8. Mai sollen die finalen Ergebnisse ebenfalls wieder vor Jury und Öffentlichkeit präsentiert werden.

Barbara Żak

 

Lesen Sie auch zum Thema

Sahneschnittchen

Barbara Żak hat Landschaftsarchitektur und Architekturvermittlung studiert und gründete 2015 die Agentur für Baukultur in Köln.

 

 

 

1 Kommentar

Wenn ich mir die bisherigen Arbeiten der beteiligten Büros anschaue, habe ich berichtigte Zweifel ob diese in der Lage sind für so einen sensiblen Stadtbereich einen guten Entwurf zu liefern. Das sieht doch alles sehr monoton und langweilig aus. Wo bleibt die Kunst am Bau? Lassen wir uns überraschen. Ich befürchte jedoch schlimmes.