Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Groteske Bilder

Düsseldorf setzt auf Social Media-Architektur

Ende März ging ein Raunen durch die Medien, als Thierry Fremaux, Leiter der diesjährigen Filmfestspiele in Cannes, ein Selfie-Verbot für den Roten Teppich aussprach. Er wolle zurück zum Glamour früherer Zeiten und das ohne den Stau und die „lächerlichen und grotesken Bilder“, die die Stars dort in den vergangenen Jahren produziert hatten. Knigge 2018 dankt.

 

Uneinige Dreisamkeit: Das Dreischeibenhaus, das SChauspielhaus und der Kö-Bogen II © Visualisierung: Centrum Gruppe

 

Schönes neues Düsseldorf

Wenige Wochen später luden die Entwickler des Kö-Bogen II in Düsseldorf zum Pressegespräch. Anlass war der Beginn der Hochbauarbeiten des letzten großen Bauvorhabens in Düsseldorfs neuer Mitte. Das Geschäfts- und Bürohausensemble entsteht nach Plänen von Christoph Ingenhoven und bietet künftig 66.000 Quadratmeter BGF in bester Lage.  Die Centrum Gruppe aus Düsseldorf und die Hamburger B&L Gruppe wollen „Immobilien liefern, für die es sich lohnt in die Stadt zu gehen“. Presse und künftige Kunden ködern sie zunächst mit Bildern, in denen die schöne neue Welt Gestalt angenommen hat. Mit synthetischer Attitude sind da zwei gläserne Volumen gerendert, die den Gustaf-Gründgens-Platz neu fassen. Wo kein Glas ist, wächst Grün an den schrägen Fassaden und auf dem Dach. Weniger wird die Masse davon nicht, vielleicht weniger angreifbar. Der Kö-Bogen II ist eine Verkörperung des Zeitgeistes. Er steht so übereifrig für das Heute, dass die Vorstellung vom Morgen schwierig ist.

Fünf Kilometer Hainbuchenhecke für Europas größte Grünfassade, Ansicht vom Gustaf-Gründgens-Platz Richtung Jan-Wellem-Platz @ Visualisierung Centrum Gruppe

 

Landgewinn in der Stadt

Der Bau der Wehrhahn-Linie (2007-2016) ermöglichte eine großräumliche Stadtreparatur, da mit der U-Bahn auch gleich der Autoverkehr in Tunneln und Tiefgaragen verschwand. Mitten in der Stadt wurden plötzlich perfekt angebundene, große und repräsentatives Grundstücke frei, über die die historische Verbindung zwischen Königsallee und Hofgarten wiederhergestellt werden konnte. Den Kö-Bogen I realisierte Daniel Libeskind nach umstrittenen Vergabeverfahren 2009 mit einer uncharmanten Interpretation der Schauspielhauskurven und nur unwillig aus den Schlitzen in der Fassade wachsendem Grün. Mit dem bis 2013 diskutierten Abriss des Tausendfüßlers, einem Relikt der autogerechten Stadt, änderte sich die Sicht auf den zweiten Bauabschnitt des Kö-Bogens. Der vier Jahre alte Siegerentwurf eines stadtplanerisch-freiraumplanerischen Wettbewerbs von Molestina/Fenner (Köln) entsprach nicht mehr den damit gegebenen Bedingungen und die Stadt beauftragte drei Büros mit neuen Entwürfen. Ingenhoven architects gewann vor den Kölner Titelverteidiger und Snøhetta (Oslo).

Schwieriger Anschluss wo Grün auf Glas trifft, Ansicht von der Schadowstraße @ Visualisierung Centrum Gruppe

 

Das Ingenhoven-Tal

Christoph Ingenhoven beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit der Revitalisierung dieses Stadtraumes, er gab erste und wichtige Denkanstöße, offenbar war seine Heimatstadt ihm hier etwas schuldig. Seine inzwischen realisierte Marina One in Singapur war für die Düsseldorfer sicher eine starke Referenz.

Der Ort, an dem der Kö-Bogen II entsteht hat mit dem Dreischeibenhaus (Helmut Hentich, Hubert Petschnigg, Fritz Eller, 1960) und dem Schauspielhaus (Bernhard Pfau, 1969) am Gustaf-Gründgens-Platz Architekturgeschichte geschrieben. Sicher wird der Neubau von seinen prominenten Nachbarn profitieren, doch die Denkmäler fordern Rücksichtnahme. Diese wird in Form einer Schneise Gestalt annehmen, die im Volksmund schon den Namen Ingenhoven-Tal heißt und von jedem der beiden Baukörper eine Ecke abschneidet, um Sicht und Wege frei zu halten. Eine überzeugende Haltung im Stadtraum sieht anders aus.

 

Das Vorbild der schrägen Liegeweise kommt aus Amsterdam @ Visualisierung Centrum Gruppe

 

Ist Grün immer grün?

Ist der Anreiz vielleicht deshalb so groß, diese Schrägen zu inszenieren, das Dach des niedrigen Foodcourts zur Liegewiese zu machen und auf dem Sechsgeschosser mit fünf Kilometern Hainbuchenhecke gleich die größte Grünfassade Europas zu schaffen? Der Aufwand, ein Gebäude in dieser Art zu begrünen und die Pflanzen über Jahre am Leben zu halten ist enorm, angefangen von der Auswahl der richtigen Pflanzen, ihrer Anzucht, dem eigens entwickelten Substrat, der Konstruktion einer Befahranlage bis zu ihrer dauerhaften Pflege. Aber der Zeitgeist will bedient sein, da erscheint der ökologische Fußabdruck kleiner, je grüner ein Gebäude ist, das Bauen fühlt sich gut an und die angestrebte DGNB-Zertifizierung in Platin macht es später wohl offiziell. Natürlich mangelt es in unseren Städten an Grün, hier jedoch ist der Hofgarten, 28 Hektar groß und immerhin Deutschlands ältester Volkspark, nur ein paar Schritte entfernt. Das grüne Mäntelchen, das dem Kö-Bogen II übergezogen wird, erscheint dagegen allzu kulissenhaft.

 

Der Foodcourt mit Grasdach, darunter ziehen die Discounter ein @ Visualisierung Centrum Gruppe

 

Hier und jetzt

Entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg der Immobilie sei neben der Location die hohe Attraktivität der Immobilie für die Sozialen Medien erklären die Investoren. Hier sollen die Menschen Selfies machen, ihren Standort tausendfach mit der Welt teilen. Dass mit jedem Post auch gleich die Logos der Händler verbreitet werden, ist Teil der Idee, freies WLAN ein effizienter Motor. Aber halt – hatten wir nicht gerade aus Cannes gehört, dass der triviale Aspekt des Sich-Selbst-Fotografierens das Aus für Stil und Glamour bedeutet? Da sein, um im Netz zu sein – wenn das Gebäude fertig ist, wird dieser Hype hoffentlich längst vorbei sein.

Die Lebensmitteldiscounter, Modeketten, ein Marken-Outlet und ein Drogeriemarkt, soweit die bislang genannten Mieter, stört das offenbar nicht. Ihre Flagshipstores sind meist nur Werbeträger für den Onlinehandel. Für die Retailer ist das Risiko am Kö-Bogen II gering. Wenn es hier nicht mehr läuft, gehen sie eben woanders hin. Das Gebäude hingegen müssen die Düsseldorfer dann noch ein paar Jahrzehnte ertragen.

 

Uta Winterhager

 

Dieser Beitrag ist eine freundliche Empfehlung fürs BauNetz

 

 

 

 

 

 

 

4 Kommentare

Absolut treffender Kommentar, der dankenswerterweise auch auf Baunetz veröffentlicht wurde. Hoffentlich wird er viel gelesen. Es gilt zu verhindern, das derartige Architektur auch in Deutschland zum Normalfall wird. Bisher ja eine relativ BIG-freie Zone. Architektur bleibt zu lange, um aus solchen plakativen „Einzeilern“ zu bestehen.

passt zu düsseldorf wie die faust aufs auge – die totale möchtegern-blender-effekt-architektur für neureiche yuppies – es gibt nichts schlimmeres als geschmacklose menschen, die geld haben und die die daraus erwachsenden möglichkeiten mit geschmack verwechseln – irgendwie muss ich bei sowas vom niveau her an leute wie bohlen oder wollersheim denken – so in der stil-liga spielt das. wie sich das gerücht halten kann, ddorf sei ja so ach viel schöner als köln, hat sich mir aber sowieso noch nie erschlossen…

Werter Herr Mostrich,
offenbar verwechseln Sie die Klatschspalten des Express (egal ob Düsseldorf oder Köln)
mit der Thematik Stadtarchitektur, Urbanistik usw. Ob sie jemals an einer architektonisch-städtebaulichen Exkursion durch Düsseldorf teilgenommen haben, wage ich zu bezweifeln, denn solche Aktionen beheben billigst zu habende Vorurteile.
Mit freundlichen Grüßen
Frieder Kraus
PS: Ich bin imstande Köln und Düsseldorf gleichermaßen zu mögen und schätze gerade die unterschiedlichen Qualitäten beider Städte besonders.

Das übliche, zumeist sehr beliebige, uniformiert plakative Düsseldorf-Bashing darf auch auf diesem, eigentlich sehr sachlichen Portal nicht fehlen (Leserbrief). Gewisse architektonische Moden verschonen keine Städte weder Köln, noch Düsseldorf, Paris oder Moskau. Der sehr zeitgeistige und dem Standort in keiner Weise würdige Entwurf von Ingenhoven für den Kö-Bogen II ist ein leider häufig anzutreffendes Phänomen, von sich populär gebender Stadtarchitektur. Wobei die Veränderungen durch Kö-Bogen I dem Stadtbild gut getan haben und die hohe Qualität von Schauspielhaus und Dreischeibenhaus durchaus wieder sichtbar gemacht haben. Doch die neuen „grünen“ Bauten werden diese schönen Ansichten wieder (für Jahrzehnte) zerstören, sehr schade.