Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Gamer, Berliner und andere Wohnungssuchende

BDA Landesverband NRW vergibt Studienpreis BDA Masters.

Womit beschäftigt sich die neue Architektengeneration? Für den BDA Masters, den der BDA NRW seit 2008 jedes Jahr vergibt, waren 34 Bachelorarbeiten nominiert, die auf allen Maßstabsebenen und in breiter Bearbeitungsvielfalt zeigen, welchen Themen der Nachwuchs heute Beachtung schenkt. Prämiert wurden ganz unterschiedliche Projekte: Von sehr konkreten, gut durchdetaillierten Entwürfen bis hin zu typologischen Analysen wichtiger Industriebauten der letzten 100 Jahre. Ein rein methodischer Entwurf für ein Wohn- und Arbeitshaus für E-Gamer steht neben einer Arbeit, die sich dem drängenden Thema des Wohnungsbedarfs in unseren Städten widmet und dabei überraschend experimentelle Lösungen anbietet. Genauso findet sich unter den prämierten Entwürfen ein Hyper Hybrid, ein Mix aus unterschiedlichen Funktionseinheiten für Berlin-Tempelhof, der an die futuristischen Ideen der Big Beautiful Buildings der 1960er bis -80er Jahre anknüpft. Die in diesem Jahr ausgezeichneten Projekte greifen aktuelle Bedürfnisse und Anforderungen auf: Verdichtung, Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, Wiederverwertbarkeit und, als besonders wichtiges Thema, den Wohnungsbau. Damit belegen die eingereichten Arbeiten auf eindeutige Weise, dass auch Studierendenentwürfe im zeitlichen Kontext zu sehen sind.

Nach einem mehrstündigen gemeinsamen Rundgang im Foyer des Reiffmuseums an der RWTH Aachen vergab die Jury unter Vorsitz von Martin Bez (Bez + Kock Architekten BDA, Stuttgart) satzungsgemäß fünf Preise. Diese sind mit jeweils 2.000 Euro dotiert und an die Bedingung geknüpft sind, dass ein Masterstudium absolviert wird.

Urban Hybrid Düsseldorf

Adina Sturm,  Urban Hybrid Düsseldorf

Einen Preis erhielt Adina Sturm, Absolventin der Hochschule Bochum, für ihre Arbeit Urban Hybrid Düsseldorf. Auf schwierigem Grundstück entwickelte sie einen skulptural gestaffelten Gebäudekomplex mit multifunktionaler Nutzungsmischung. Der städtebauliche Bezug ihres Entwurfs schafft mit einfachen Mitteln räumlichen Bezug entlang einer Bahnlinie und schließt auf sehr selbstverständliche Weise die Lücke zwischen dem Bahnareal und dem gewachsenen städtischen Gefüge. „Die Gliederung der einzelnen Bereiche ist schlüssig und folgerichtig durchdekliniert“, so die Meinung der Juroren, die besonders die entwurfliche Qualität und die funktional nahezu fehlerfreie und beeindruckende Reife der Durcharbeitung honorierten.

Symbol Industrie Architektur

Philip Jakob Stöckler, Symbol Industrie Architektur

Mit einer vollkommen anderen Thematik beschäftigt sich das Projekt Symbol Industrie Architektur von Philip Jakob Stöckler (FH Münster, MSA Münster School of Architecture), der sich umfassend mit dem Thema der Industriearchitektur auseinandersetzt. Für das gewählte Baufeld in Duisburg, an der Einmündung der Ruhr in den Rhein, entwickelt er eine zweiteilige Baukörperkomposition, bestehend aus einer eingeschossigen Produktionshalle und einem 14-stöckigen schlanken Verwaltungsbau als Landmarke, die präzise zueinander platziert sind. Die dem Entwurfsprozess vorangegangene umfangreiche Analyse beispielhafter Industriebauten der letzten 100 Jahre im Hinblick auf Typologie, Form, Symbolik und Struktur bildet die Basis der Arbeit. Die Jury überzeugte bei diesem Projekt insbesondere die gelungene Verbindung von „formaler Strenge und bildhafter Qualität“ zu einem „hervorragender Beitrag der häufig vernachlässigten Bauaufgabe Industriebau.“

Bib+++ I Neue Tempelhofer Mitte

Johanna Köck, Bib+++ I Neue Tempelhofer Mitte

Ein weiterer Preis ging an Johanna Köck und ihr Projekt Bib+++ I Neue Tempelhofer Mitte+, mit dem sie eine neue Mitte für den Berliner Stadtteil Tempelhof entwickelt. Das Thema Nutzungsmischung wird in der Arbeit differenziert und reflektiert angegangen. Aus unterschiedlichen Funktionseinheiten entsteht ein Stadtbaustein, der wie ein gestapeltes verdichtetes Zentrum des öffentlichen Stadtlebens funktioniert. Gemischt werden Bildung und Kultur, zudem wechseln sich Arbeitsorte und Zonen der Entspannung ab und „suggerieren spielerischen Austausch und Kommunikation“. Zwei große, wohlproportionierte Höfe gliedern die tiefe Baumasse. Sie werden durch sichtbare Haupttreppen über alle Geschosse bis zum Dachgarten begleitet. Bei diesem sympathischen Projekt lobt die Jury insbesondere die Art und Weise der graphisch abgestimmten Begleitung Konzeptes.

Coherent Existence – 6 Typologies for Communal Urbanism

Maximilian Bentler, Johannes Hoffmann und Daryan Raphael Knoblauch, Coherent Existence – 6 Typologies for Communal Urbanismdes

Die Gemeinschaftsarbeit Coherent Existence – 6 Typologies for Communal Urbanism der Absolventen der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft Maximilian Bentler, Johannes Hoffmann und Daryan Raphael Knoblauch präsentiert sich eher wie ein wissenschaftliches Labor denn wie eine klassische Bachelorarbeit im Fachbereich Architektur. Die Arbeit widmet sich dem drängenden Thema des Wohnungsbedarfs in vielen Städten auf grundsätzliche Weise und liefert überraschend experimentelle Lösungen.

Die Idee einer am Gemeinwohl orientierten neuen Gesellschaft wird konsequent auf den Stadtraum angewandt: Mehrfachnutzung, Reduktion des Privaten, Auflösung der Eigentumsgrenzen und Verflechtung unterschiedlicher Nutzungen.

Das Manifest „Coherent Existence“, in dem sie sich und die von ihnen propagierten sechs Typologien vorstellen, begleitet ihre Planungsvorschläge. „Diese Bachelorarbeit lässt erkennen und hoffen“, so die Jury, „dass hier drei sehr eigenständige Geister heranwachsen, die sich mit Begeisterung gesellschaftlich relevanten Themen widmen wollen.“

1337 – Wohn- und Arbeitshaus für professionelle E-Sport Teams

Zana Bamarni, 1337 – Wohn- und Arbeitshaus für professionelle E-Sport Teams

Zana Bamarnis (Bergische Universität Wuppertal) methodischer Entwurf für ein Wohn- und Arbeitshaus für E-Gamer setzt zunächst eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Typus Gründerzeithaus oder Stadtvilla voraus. Bautypologische Stilelemente wurden analysiert, transformiert und mittels Drehung und Extraktion neu komponiert. Das so fast zufällig entstandene Raumgefüge schafft eine fließende Raumfolge, in der sich Nischen und Rückzugsbereiche mit großzügigen Ausweitungen abwechseln. Die introvertierte Raumatmosphäre lässt Platz für virtuelle Realitäten der Nutzer. Das Interesse der Jury richtete sich bei dieser Arbeit nicht allein auf die Architektur, auf Typologie oder Gebäude, sondern auf einen Prozess, einen Vorschlag zur Vorgehensweise sowie die daraus resultierende gestalterische Konsequenz.

An die Jurysitzung schloss sich am frühen Abend die Preisverleihung an. Der Dekan des Fachbereichs Architektur, Prof. Dr. Alexander Markschies, äußerte seine Freude über die Kooperation mit dem BDA und dankte der Jury. Ihre wohlmeinende Kritik gebe den Absolventen wichtige Impulse für ihre weitere berufliche Entwicklung mit auf den Weg.

Gert Lorber, Vorsitzender des BDA NRW, erläuterte die mit dem Studienpreis verfolgte Absicht, gute und ehrgeizige Bachelorabsolventen zu motivieren, sich möglich umfassend auszubilden. Das sei nur durch ein Masterstudium möglich. Er warb dafür, das Ziel einer späteren selbstständigen Tätigkeit als Architektin oder Architekt unbedingt anzustreben und damit eigenständig Verantwortung für die Gestaltung unserer baulichen Umwelt zu übernehmen.

Barbara Schlei

Dieser Artikel erschien in der architekt 1.2019