Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

„Das Licht ist die erste Bedingung aller Sichtbarkeit.“

Otto Piene: Alchemist und Himmelsstürmer im Arp Museum

Vor einigen Wochen haben wir an dieser Stelle über Otto Pienes Werk „Licht und Bewegung“ an der Fassade des ehemaligen Wormlandhauses in der Hohe Straße berichtet. Wer mehr von Otto Piene (1928–2014) sehen möchte, dem sei die am Wochenende im Arp Museum Bahnhof Rolandseck eröffnete Ausstellung ans Herz gelegt. Das Schaffen des Alchemisten und Himmelsstürmers wird darin mit 53 Werken präsentiert, 47 davon aus der More Sky Collection des Sammlers Edgar Quadt. Lichtbilder, Feuerbilder, Keramiken und Lichtinstallationen zeigen die Bandbreite der Techniken und Materialien, mit der Piene, Mitbegründer der ZERO-Bewegung, gearbeitet hat. Seine Werke sind abstrakt, umso poetischer klingen ihre kosmischen Namen.

Ausstellungsansicht, links „Die Geburt des Regenbogens, daneben „Ohne Titel“
Arp Museum Bahnhof Rolandseck | Richard-Meier-Bau | Erdgeschoss | Nordraum | Foto: Mick Vincenz

Feuer

Piene, der Alchemist, probierte Techniken und Materialen aus, setzte seine Leinwände, die er zuvor mit Lacken und Fixativ behandelt hatte, in Brand, um sie dann im hoffentlich richtigen Moment wieder zu löschen. Dass das auch im Sinne des Experimentes nicht immer gut ging, verwundert nicht, ebenso wenig, dass die Nachbarn angesichts des aus dem im Hinterhof gelegenen Atelier steigenden Rauchs die Feuerwehr gerufen haben. Nicht jede Leinwand wurde zum Kunstwerk, obwohl der Sammler Quadt berichtete, dass es bei Piene keinen Abfall gegeben habe, alles wurde verwertet. Er habe Piene vor 23 Jahren kennengelernt, als dieser dringend Geld für eine Steuernachzahlung gebraucht habe. Quadt erstand damals drei Werke, darunter zwei Feuerbilder und legte damit dem Grundstein zu seiner inzwischen umfangreichen privaten Sammlung. Das Bild „Ohne Titel“ (1962-82) bezeichnet er bis heute als sein Lieblingsbild, obwohl Sammler solche Aussagen selten machen. Das zweite Feuerbild hat sich in den 23 Jahren, in denen es nun in seinem Besitz ist, verändert. Es hat weitergearbeitet und in seiner einst pechschwarzen Mitte einen orangen Spalt geöffnet.

Durch das Feuer entstehen auf der Farbschicht Risse, Krusten und Blasen, der Lack verläuft, es bildet sich ein hochexplosives Gemisch, das sich auf der Leinwand als Spritzer verteilt. Komet | Otto Piene | 1973 | More Sky Collection | © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Licht

Die ersten Auseinandersetzungen mit dem Thema Licht verfolgte Piene seit Ende der 50er Jahre in seinen Rasterbildern. Um die Phänomene des Lichts malerisch zu manifestieren, setzte er Rastersiebe ein, die zu einem grundlegenden mechanischen Instrumentarium bei der Erschaffung seiner Rauchzeichnungen, seiner Lichtgrafiken und später auch seiner Keramiken wurden.
Für seine Lichtkompositionen verwendete Piene zumeist helle, gut reflektierende Öl- und Aluminiumfarben in Weiß, Gelb, Gold und Silber. Seiner symbolischen Bedeutung nach gilt Gold als Symbol der Sonne und des göttlichen Prinzips, Gelb steht für das Sonnenlicht. Für die Alchemisten des Mittelalters war Gold erstarrtes Licht, Silber erinnerte an den Glanz von Mond und Gestirnen oder auch an die Oberfläche von Wasser. An diese kosmologische Materialästhetik und -symbolik schließt Piene mit seiner Arbeit an.

Otto Piene, Platinsoldaten, 2014, (Ausschnitt) More Sky Collection © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Und das Licht ist da und dringt überall hin und nicht ich male, sondern das Licht.«

Otto Piene

Die Werkschau ist bis auf zwei Ausnahmen im ersten Stock des Meier-Neubaus aufgebaut und es scheint, als passiere hier mehr als Kunst im Haus. Meier der sagte, Licht sei sein liebstes Baumaterial, trifft auf Piene, der sagte, es sei das Licht, das male. Bessere Voraussetzungen könnte eine Ausstellung wie diese also kaum haben. Denn in das große, lichte Raumkontinuum des Ausstellungssaals, ließ Meier das Licht so einfallen, dass es mit den geschlossenen Flächen einen spannungsreichen Wechsel, von strahlenden Flächen, von Schatten, Gegenlicht und Strieflicht bildet, in dem alle Feinheiten und Facetten von Pienes Werken sichtbar werden. Die Skulpturen und Leinwände sind in der von Jutta Matern kuratierten Ausstellung so wohlplatziert, dass sich vor dem weiß-weißen Hintergrund der Architektur in der Zusammenschau immer wieder überraschende Konstellationen bilden.

Sequenz aus Lichtraum (Jena) | Otto Piene | 2007 | © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Beispielhaft für Pienes späteren Umgang mit Licht steht der für die Ausstellung gebaute Lichtraum, der die Lichtchoreographie des Lichtraums (Jena, 2007) erlebbar macht. Durch perforierte Wände fällt bewegtes Licht, das dadurch zum Schöpfer des Kunstwerks wird. Gleichzeitig sind im Raum drei Apparate positioniert, die sich in abgestimmten Sequenzen in Bewegung setzen und das Licht über die Wände tanzen lassen. Es sind diese lichtkinetischen Arbeiten, zu denen man auch die Kölner Wormland-Fassade rechnen kann, die Piene Anfang der 1960er Jahre entwickelt hat, die es dem Betrachter ermöglichen, sich als Teil einer kosmischen Ordnung zu empfinden.

Ausstellungsansicht
Arp Museum Bahnhof Rolandseck | Richard-Meier-Bau | Erdgeschoss | Südraum | Foto: Mick Vincenz

Erde

Spielarten der Abstraktion

In diesen Kosmos von Otto Pienes Arbeiten gesellen sich in der Ausstellung Werke des italienisch-argentinischen Künstlers Lucio Fontana (1899 – 1968), einem wichtiger Weggefährten Otto Pienes und der ZERO-Gruppe. So schließt sich der Kreis in dieser Ausstellung zu einem Kosmos, in dem sich Otto Piene, Lucio Fontana, Sophie Taeuber-Arp und Hans Arp begegnen und mit ihrer Kunst, mit ihrer Form der Abstraktion die irdische Welt gestalten.

Spheres | Lucio Fontana | 1957 | Museo Internazionale delle Ceramiche Faenza (MIC) | © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Luft

Nur auf eines mussten die Zuschauer noch warten, der Paris Star, vielleicht der heimliche Star dieser Ausstellung konnte sich angesichts des stürmischen Wetters noch nicht zeigen. Ursprünglich war er nur für die Erscheinung an einem einzigen Abend, einem Sky Event 2008 in Paris erdacht worden, die Ausstellung in einem Museum über einen längeren Zeitraum hat es noch nicht gegeben, doch sobald das Wetter er zulässt, wird das Gebilde aus Spinnakertuch und Luft in regelmäßigen Abständen Gestalt annehmen.

Paris Star (Ausstellungsansicht) | Otto Piene | 2008 (Ausstellungskopie 2019) | © Otto Piene Estate/ Sprüth Magers | Foto: Mick Vincenz

Es ist genau diese Unsicherheit, das Experiment, das Pienes Werk so spannend macht. Nun sehen wir in der Ausstellung nur jene Werke die „gelungen“ sind, doch erzählt ihre Materialität, die Qualität der Oberflächen, die das Handwerkliche zelebrieren, viel darüber, was passiert sein kann. Piene hat vieles ausprobiert, oft mit ganz profanen Ausgangsstoffen, wie Ton, Lochblechen, Lack, aber auch Gold oder Platin. Seine Definition von Perfektion scheint eine andere zu sein, als die von Meier. Und das unterscheidet den Künstler vom Architekten, denn der darf zwar überraschen, die Kontrolle über sein Material darf er jedoch in keinem Moment abgeben.

Uta Winterhager

Otto Piene Alchemist und Himmelsstürmer

17. März 2019 – 05. Januar 2020

Arp Museum Bahnhof Rolandseck

Hans-Arp-Allee 1  53424 Remagen

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen 11 bis 18 Uhr