Nicht nur Köln hat Sorgen mit seinen städtischen Bühnen. Viele Städte bauten in der Nachkriegszeit radikal moderne Häuser, etwa Stuttgart, Mannheim und Frankfurt. Sie zeugen vom Aufbruchswillen in eine demokratische Gesellschaft und der Bedeutung, die man der Kultur zumaß auf dem Weg dorthin. Und ein Problem haben alle diese Häuser: Die Haustechnik versagt, und zwar schon eine ganze Weile, denn ihre Verfallszeit von etwa 25 Jahren ist mehr als doppelt überschritten.
Große Oper – viel Theater?
Die Ausstellung, Große Oper – viel Theater?, die das MAKK noch bis zum 30. Juni zeigt, stellt insgesamt 19 Bühnenprojekte der letzten Jahre aus Deutschland und Europa vor. Darunter sind sowohl Sanierungen historischer Anlagen als auch spektakuläre Neubauten, die architektonische und städtebauliche Akzente setzen.
Frankfurt steht das Abenteuer Sanierung noch bevor; eine Machbarkeitsstudie beziffert die Kosten auf 850-900 Mio Euro. Andrea Jürges ist stellvertretende Direktorin des Deutschen Architekturmuseums DAM in Frankfurt und Kuratorin der Ausstellung und erläutert, was der Auslöser war, diese Schau zu konzipieren: „Es ging uns darum, einen Vergleichsraum zu schaffen. Das Publikum kennt sein Haus und nur sein Haus. Wir wollten über den Tellerrand schauen und sehen, wie das andere Städte eigentlich machen.“
Das ist eine gute Frage, besonders hier in Köln, wo sich das Vorgehen in Sachen Bühnen nicht als Rezept empfiehlt. Und so kam aus dem Team der Bühnen Köln spontan die Idee, die Ausstellung nach Köln zu holen, und ebenso spontan kam die Zusage vom MAKK. Doch dieses Museum ist ja selbst ein 50er Jahre Sanierungsfall, und die eigentlichen Säle sind geschlossen. So hängen jetzt Riphahns „Schlittenlogen“ im wunderschönen Schwarzschen Treppenhaus, zusammen mit 18 weiteren europäischen Bühnenbauten, die man mittels Pläne, Fotos, Daten und Fakten näher erkunden kann.
Gezeigt werden Sanierungen von Bestandsgebäuden – z.B. das National Theatre in London, die Staatsoper in Berlin, der Kulturpalast in Dresden, das Düsseldorfer Schauspielhaus und die Oper in Lyon, und auch bekannte und nicht so bekannte Neubauten kann man sich anschauen, darunter natürlich die Elbphilharmonie und die Häuser in Oslo und Kopenhagen, aber auch in Linz, Heidelberg, Danzig und Liverpool.
Eine Reise zu 19 Bühnen in Europa
Selbst wenn man sich in den darstellenden Künsten nicht so zuhause fühlt, lohnt es sich doch, die Ausstellung zu besuchen. Die Kostenfrage bestimmt die Debatte über die Zukunft der Häuser, und die Erkenntnis, die Andrea Jürges formuliert, ist schlicht: Jeder qm Theaterbau hat einen hohen Preis, je größer das Haus, desto höher die Kosten.
Der gedankliche Besuch in den einzelnen Häusern regt an, sich mit inhaltlichen Fragen zu beschäftigen. Höher, schneller, weiter – im Opernhaus in Kopenhagen beträgt das Verhältnis des Raumvolumens von Zuschauerraum und Bühnenhaus 1:5. Müssen die Inszenierungen immer aufwändiger werden, um „everyman“ in die Häuser zu locken? Welche Rolle spielen die Bühnen zukünftig im gesellschaftlichen Leben? Welche Gestalt sollen sie haben?
Diese Orte sollten der ganze Stolz der Stadtgemeinschaft sein, und besonders Köln muss dafür werben. „Ich war nie für Abriss und Neubau,“ sagt Bernd Streitberger, technischer Betriebsleiter der Bühnen Köln, „aber das Wunder von Hamburg wird bei uns nicht passieren: Wenn die Oper fertig ist, wird man fragen: ‚Und wann wird sie gestrichen?‘“
Ira Scheibe
Informationen
„Große Oper – viel Theater?“
Bühnenbauten im europäischen Vergleich
Ausstellung geöffnet bis zum 30.06.2019; Di bis So 10–18 Uhr, Mo geschlossen, 1. Do im Monat (Langer Donnerstag) 10–22 Uhr \ Eintritt frei
Zur Ausstellung gibt es Führungen und ein vielseitiges Rahmenprogramm im Overstolzen-Saal des MAKK:
Zusätzlich zur Ausstellung haben das MAKK und die Bühnen Köln ein Begleitprogramm initiiert. Sechs Vorträge und Diskussionen geben vertiefende Einblicke in die Erfahrungen bei Neubau oder Sanierung ausgewählter europäischer Bühnenbauten, aber auch in die Architekturgeschichte Städtischer Bühnen.
Drama auf vier Bühnen? Die Baustelle am Offenbachplatz
Di, 9. April 2019, 19 Uhr
Bernd Streitberger, Technischer Betriebsleiter, Bühnen Köln und Remigiusz Otrzonsek, HPP Architekten GmbH
Mehr als nur eine Bühne. Theaterbauten und demokratische Repräsentation
Fr, 12. April 2019, 19 Uhr
Frank Schmitz, Universität Hamburg und Jörg Jung, Journalist und Mitinitiator bei „Mut zur Kultur“
„Provisorisch euphorisch?“ Was bedeuten Bühnenbaustellen für einen Theaterbetrieb?
Di, 30. April 2019, 19 Uhr
Marc-Oliver Hendriks, Geschäftsführender Intendant, Die Staatstheater Stuttgart; Ronny Unganz, Geschäftsführender Direktor, Staatsoper Unter den Linden Berlin; Patrick Wasserbauer, Geschäftsführender Direktor, Bühnen Köln; Klaus Kröhne, Stellvertreter des Geschäftsführenden Direktors, Bühnen Köln
Das große Ganze. Kulturbauten und ihre Bedeutung für die Identität einer Stadt
Di, 7. Mai 2019, 19 Uhr
Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin und Staatssekretärin für Stadtentwicklung Berlin; HG Merz, hg merz architekten; Julia Bolles-Wilson, BOLLES+WILSON; Bernd Streitberger, Technischer Betriebsleiter, Bühnen Köln
Open House! Kulturbauten, offen für alle?
Di, 4. Juni 2019, 19 Uhr
Jette Hopp, Snøhetta, Oslo und Jörn Walter, Oberbaudirektor a. D., Hamburg
Sanierung und Neubau. Eine Wahl zwischen Pest und Cholera?
Di, 18. Juni 2019, 19 Uhr
Christian Hellmund, gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner und Felix Waechter, Waechter + Waechter Architekten