Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Die zweite Karriere des Albert Speer

Ausstellung „Albert Speer in der Bundesrepublik. Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit“


Doch, Albert Speer hatte durchaus den Plan, wieder als Architekt einzusteigen nach seiner Haftentlassung im Oktober 1966 – so wie er auch schon unter Hitler bestrebt war, seinen Ruf als Architekt zu festigen und nicht nur als Organisator des Rüstungsbetriebs zu gelten. In der Nachkriegszeit füllte er dann aber eine ganz andere Rolle aus: Er wurde zum Kronzeugen für die deutsche Vergangenheitsabwehr. Und so wurde er auch nach dem Krieg wieder ein reicher Mann.

Das Kölner NS-Dokumentationszentrum zeigt bis zum 18. August 2019 eine Ausstellung zur Rolle Speers als Erklärer des Nationalsozialismus. Das Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände hat diese seine bisher erfolgreichste Schau in Kooperation mit dem Institut für Zeitgeschichte erarbeitet. Köln ist nun nach Nürnberg und Prora die dritte Station der Ausstellung.  

Vom Baumeister des Dritten Reichs zum PR Profi in eigener Sache

Es geht also nicht um Germania oder die Neue Reichskanzlei, es geht in der Ausstellung um die Marke Albert Speer, festgeschrieben in das kollektive Bewusstsein mit Hilfe von Joachim C. Fest und Wolf Jobst Siedler. Speer starb 1981 in London an einem Herzinfarkt. Bis in die 80er Jahre gab es keine historische Aufarbeitung der Rolle Speers in der NS Zeit, ohne dass er selbst daran mitgewirkt hätte. Die Ausstellung legt dar, wie die Legenden des Nazi Verbrechers seither erforscht worden sind.


Titelblätter von Deutsche Illustrierte und Die Woche aus dem Jahr 1938 © Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände

1946 verurteilten ihn die Alliierten im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher zu zwanzig Jahren Haft. Als Speer am 1. Oktober 1966 aus dem Gefängnis in Berlin-Spandau entlassen wurde, war dies der Beginn seiner »zweiten Karriere« als scheinbar geläuterter Zeitzeuge des Nationalsozialismus. Mit unkritischer Bereitwilligkeit folgten Historiker, Publizisten, aber auch die deutsche Öffentlichkeit der Erinnerungsmanipulation des »guten Nazis« – nicht zuletzt, weil er eine Entlastung für jene bot, die sich selbst im Nationalsozialismus engagiert hatten.

Die Nachkriegsjahrzehnte kannten ihn als netten, älteren Herrn, sympathisch, kultiviert, gebildet, der das Bild des Nationalsozialismus zeichnete, das die Gesellschaft hören wollte – und konnte. „Ich glaube, dass noch ganz viel von Speer in unseren Köpfen ist,“ meint Dr. Alexander Schmidt, der die Ausstellung konzipierte.

„Nicht direkt“

Wie aber kam es da hinein? Warum hatte der Generalbauinspektor und Reichsminister für Bewaffnung und Munition die Aufmerksamkeit, die die Opfer lange nicht hatten? „Man wollte seine Geschichten hören, weil sie entlasteten. ‚Wenn schon der Herr Speer nichts wusste, wie sollte ich das dann können?‘ So vergewisserte man sich, dass man selbst unschuldig war,“ erklärt Schmidt. Er kennt diese Geschichten so gut, dass er sie teilweise mitsprechen kann, denn Speer hatte sich seinen Text sehr genau zurechtgelegt und wiederholte ihn immerzu. Heinrich Berloer sprach vom „Lebenstonband“ Albert Speers.

Speer bekannte sich zerknirscht zu allgemeiner Verantwortung, distanzierte sich vom Nationalsozialismus und war der „Musterschüler“ der Nürnberger Prozesse, der einzige, der die Anklage richtig fand. Von Ausschwitz habe er „nicht direkt“ gewusst – das Ausbauprogramm für dieses Lager mit 13,7 Mio Reichsmark hatte er aber dereinst höchstpersönlich genehmigt.

„Speers Kindergarten“

Speer hatte in Berlin einen Arbeitsstab junger Architekten um sich geschart, die sich „Speers Kindergarten“ nannten. Das nützliche Netzwerk funktioniert auch nach dem Krieg weiter, man entlastete sich gegenseitig, schanzte sich Aufträge und Posten zu – und speiste ein sogenanntes „Schulgeldkonto“ zur finanziellen Unterstützung der Familie Speers bis 1966.

Speer und sein Arbeitsstab, dem Natursteinwahn verfallen, brauchen Material und Arbeitskräfte. „In den Steinbrüchen sind Tausende von Häftlingen gestorben für eine Architektur mit einem absoluten Zugriff auf Raum, maßlos, rücksichtlos, menschenverachtend,“ sagt Schmidt.

Wer die durchaus abwechslungsreich inszenierte Ausstellung besucht, wird eine interessante Bekanntschaft machen. Speer war ein fähiger Manager, völlig frei von Ideologie, Idealen und Skrupel, der sich mit Worthülsen und Wendigkeit dahin durchschlug, wo er hinwollte: an die Macht – in seinem Fall die Macht, Geschichte zu deuten.

Ira Scheibe

Albert Speer in der Bundesrepublik

Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit am Beispiel von Hitlers Architekt und Rüstungsminister

Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum

Weitere Infos
NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Appellhofplatz 23-25

Bis zum 18. August 2019; Dienstag bis Sonntag 10 – 18 Uhr | Samstag und Sonntag 11 – 18 Uhr | Jeden ersten Donnerstag im Monat 10 – 22 Uhr | Montag geschlossen, Pfingstmontag aber geöffnet wie sonntags