Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Über die Macht der Bilder

Im Gespräch mit Peter Busmann, dem Architekten der Ketchup-Schule

Für zwei Dinge ist Peter Busmann in Köln bekannt: Für die Philharmonie und das Museum Ludwig, die er zusammen mit Godfried Haberer entworfen hat, und für sein streitbares Auftreten. Erst im vergangenen Jahr hat Busmann, inzwischen 85 Jahre alt, sich zu einem Bürgerentscheid in Siegburg zu Wort gemeldet, bei dem es um Abriss oder Erhalt des von ihm in den sechziger Jahren entworfenen Rathauses ging. Die Sache ging – recht deutlich – in seinem Sinne aus: Das Rathaus soll jetzt saniert werden.

Filmstill aus dem Dokumentarfilm “Peter Busmann Skizzen zum Lebenswerk” piberhofer K produktion

Doch wie ist Peter Busmann eigentlich selbst mit pointierten Meinungsäußerungen umgegangen? Bei einigen seiner Bauten haben sich Wertschätzung oder Ablehnung in Spitznamen artikuliert, die bald nach der Fertigstellung die Runde machten. Was diese Zuschreibungen bei ihm ausgelöst haben und welche Erfahrungen mit Sprachbildern und Architektur er während seines Berufslebens gemacht hat, verrät Peter Busmann im Interview. Wir haben ihn dafür in seinem Haus in Bornheim besucht.

Heute ist die Integrierte Gesamtschule Bonn-Beuel (aka Ketchup-Schule) von Bäumen und Bebauung eingefasst, in den ersten Jahren stand sie dagegen exponiert und sehr rot auf der grünen Wiese © Foto Uta Winterhager

Herr Busmann, die von Ihnen entworfene Gesamtschule Bonn-Beuel in wird von rotlackierten Metallverkleidungen geprägt. Das hat ihr den Namen „Ketchup-Schule“ eingebracht. Der Name steht so auch in der Lokalzeitung. Gefällt Ihnen das?

Peter Busmann: Die Schüler haben diese Bezeichnung damals gefunden. Meine eigenen Enkel kennen die Schule auch unter diesem Namen. Das finde ich okay. Rot ist eine aufreizende Farbe. Aber Erich Schneider-Wessling, mit dem ich das Büro BAUTURM gegründet habe, sagte immer: „Rot ist für mich neutral, nicht etwa Grau.“ Rot wie das Blut, das ist eine Farbe des Lebens. Naja, Sie brauchen sich ja nur hier umzusehen… (zeigt auf das rotlackierte Bücherregal im Hintergrund)

Das Rot hatten Sie also gar nicht als Provokation eingesetzt?

PB: So etwas fiel uns eigentlich immer ganz selbstverständlich ein, ohne irgendwelche Absichten. Es ist dann natürlich ein wenig unser Markenzeichen geworden – nicht nur bei mir, sondern auch bei meinen Büro-Kollegen. Wir nannten das immer das „Bauturm-Rot“.

Die Sheddachlandschaft des Museum Ludwig erzeugt Bilder im Kopf, ganz naheliegend und vollkommen unverfänglich sind die Wellen des Rheins © Foto Uta Winterhager

Auch Ihr Kölner Museum Ludwig hat damals polarisiert – dieses Mal wegen der gezackten Sheddächer…

PB: …da fällt mir sofort das herrliche Titelblatt des Zeichners Peter Gaymann ein: Vor dem Bauwerk fotografiert ein Hahn den anderen. Der eine: „Interessante Dachgestaltung“. Darauf der andere: „Aber irgendwie geklaut!“ Der Hahnenkamm als Anspielung auf das Museum Ludwig. Da war mir klar: Jetzt sind wir mit dem Bau in Köln angekommen.

Manche sprachen auch von „Güterwaggons beim Gruppensex“. Wer hat dieses Bonmot in die Welt gesetzt?

PB: Das war der damalige Vorstandvorsitzende von Ford. Da habe ich so ein bisschen geschluckt, als ich das hörte. Ich fand es etwas respektlos, aber gut, das muss man akzeptieren. Aber wie Goethe gesagt hat: Jedes Urteil eines Menschen über einen anderen ist auch ein Urteil über ihn selbst. Da fragt man sich doch: Wieso assoziiert der Typ sowas? (lacht) Ich habe das sofort auf ihn zurückgeworfen. Die Bevölkerung hat das übrigens nicht aufgegriffen, ein Spitzname in diesem Sinne ist das also nicht geworden.

Hochschule für Musik und Tanz Köln © Foto Uta Winterhager

Haben Sie mit anderen Bauten ähnliche Erfahrungen gemacht?

PB: Ja, bei der Kölner Musikhochschule. Hier herrscht wieder Rot vor. Aber im Inneren findet sich die Komplementärfarbe Grün – bei der Mensa und in den dortigen Sitzgruppen. Dafür sorgte damals auch der Künstler, der mit uns gearbeitet hat: Barna von Sartory. Er liebte dieses Grasgrün und hat das auch viel bei seinen Skulpturen verwendet. Ich weiß von Musikstudenten, dass die sagten: Wir treffen uns „in der Grünanlage“. (überlegt) Als Vorsitzender bei Wettbewerben habe ich oft richtig autoritär verboten, Metaphern zu verwenden. Sonst setzt sich irgendein Eindruck zu einem Entwurf fest, ob negativ oder positiv. Das muss doch ganz offen bleiben. Man ist sonst so abhängig von diesen Bildern.

Welcher Blick auf Architektur kommt in den Spitznamen, die es in die öffentliche Diskussion schaffen, Ihrer Meinung nach zum Ausdruck? Was artikuliert sich da?

PB: Sicher ist da immer etwas Volkstümliches. Beim Berliner Kanzleramt kann man ja durchaus an eine Waschmaschine denken. Oder „Zirkus Karajani“ für die Berliner Philharmonie – das ist die Berliner Schnauze. Wenn Taxifahrer oder wer auch immer so etwas kreieren, dann macht sich das breit. Es wäre doch abartig, wenn man dagegen anrennen würde. Das muss man einfach so stehen lassen.

Rückblickend wirkt die Architektur der 1970er Jahren eher wie eine reine Expertenkultur. Stimmt dieser Eindruck?

PB: Kurz nach der Einweihung mussten wir Architekten uns zu Gebäuden wie dem Museum Ludwig immer einiges anhören. In Köln gab es einen bekannten Architekturkritiker, dem irgendjemand sagte: „Aber schauen Sie, das wird doch akzeptiert von der Bevölkerung, die sind da gerne.“ Darauf antwortete er: „Sprechen Sie etwa von der Abstimmung mit den Füßen?“ Das war diese Haltung: Was alle toll finden, kann nicht gut sein. Dazu habe ich mich öffentlich oft unheimlich bissig geäußert. Die sogenannten Experten muss man schon kritisch sehen, vor allem in der Verkehrsplanung. Ein Satz wurde damals immer wiederholt: „Nicht machbar!“

Gibt es einen Gebäude-Spitznamen, den Sie besonders mögen?

PB: Auf Anhieb fällt mir nur ein Zitat von Karl Kraus ein: „Schlagfertig bin ich immer zehn Minuten später.“ (lacht) Dass Gebäude personifiziert werden, scheint mir besonders interessant. In Hamburg, wo ich herkomme, heißt die Michaeliskirche kurz „Michel“.

Das Gespräch führte Alexander Kleinschrodt. Zuerst erschien es im moderneREGIONAL Heft „Nicknames“