Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Riphahns Erben

Die Erweiterung der WiSo-Fakultät ist eröffnet. Distanz zum Denkmal wahren ksg mit einer schmalen Fuge

2012 erhielt die Universität zu Köln den Exzellenzstatus. Sie ist eine der ältesten und eine der größten Hochschulen Deutschlands, fast 49.000 Studierenden werden derzeit in 300 Studiengängen an sechs Fakultäten unterrichtet. Um ihre Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit weiter auszubauen, beauftragte die Universität noch im selben Jahr ASTOC Architects and Planners mit der Entwicklung eines Struktur- und Entwicklungsplans für den Campus. Die Stadt begrüßte insbesondere das darin formulierte Ziel, dass die Universität sich in der heterogenen Sülz-Lindenthaler Nachbarschaft aus Wohnbebauung, Instituten und Klinik in Zukunft deutlicher öffnen und in diesem Sinne die Wege und Plätze ihres Geländes mit dem in diesem Bereich als Parkanlage erhaltenen Grüngürtel vernetzen möchte.

Lageplan der WiSo-Fakultät, der Erweiterungsbau ist dunkel markiert, am oberen Bildrand ist der Innere Grüngürtel angeschnitten © kister scheithauer gross Köln/Leipzig

Licht, Luft und Bäumchen

Eine besondere Rolle spielte in diesem Kontext der Ausbau der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, die von Wilhelm Riphahn Ende der 50er Jahre gebaut wurde. Das Ensemble, das 1967 mit dem Kölner Architekturpreis ausgezeichnet worden ist, besteht aus einem neungeschossigen Hochhaus, das vor Kopf eines flachen Sockelbaus steht. Mit seiner Eingangsseite liegt es an der stark befahrenen Universitätsstraße direkt neben dem Hauptgebäude. Den Nutzungen entsprechend, plante Riphahn zwei ganz unterschiedliche Ansichten: zur Straßenseite hin zeigte sich der eingeschossige Seminartrakt (bis zu der nun erfolgten Erweiterung) mit einer einfachen Lochfassade überaus bescheiden, während die drei auf den Grüngürtel ausgerichteten polygonalen Hörsäle wie Schmucksteine in dem hier durch den Geländeversprung zweigeschossigen Baukörper sitzen. Besondere Aufenthaltsqualität erhielt das denkmalgeschützte Fakultätsgebäude durch die drei individuell gestalteten Gartenhöfe, die zur natürlichen Belichtung und Belüftung in den tiefen Baukörper eingeschnitten sind.

Einer der Gartenhöfe im Riphahn-Bau, rechts der Verbindungsgang zu den vorgelagerten Seminarräumen in Alt- und Neubau © Foto Uta Winterhager

In einem 2013 entschiedenen VOF-Verfahren suchte die Universität eine bauliche Lösung für die Erweiterung der Fakultät. Darin überzeugten kister scheithauer gross ksg mit einem Entwurf, der die Idee der denkmalgeschützten Fassaden und Grundrisse auf zeitgemäße Weise weiterentwickelt und konnten sich damit für die weitere Bearbeitung qualifizieren. „Eine ruhige vertikale Struktur lässt das Gebäude so selbstverständlich wie möglich wirken, es steht in Bezug zu dem Riphahn-Bau und will durch Reduktion und Bescheidenheit den Bestand nicht übertrumpfen.“ erläuterte Johannes Kister den Entwurf.

Erdgeschoss-Grundriss der WiSo-Fakultät © kister scheithauer gross Köln/Leipzig | Foto: HGEsch

Sichtbar sein

Eröffnet wurde die Erweiterung im Mai 2019, und es zeigt sich, dass der Riphahn-Bau der Maßnahme durchaus gewachsen ist. Der fünfgeschossige Neubauriegel steht straßenseitig vor den eingeschossigen Altbau, dazwischen bleibt eine schmale, aber deutlich lesbare Fuge, eine Zäsur, die Alt und Neu sauber trennt. Auf dem mit Betonfertigteilen verkleideten Sockel sitzen vier zweihüftig organisierte, ziegelverkleidete Bürogeschosse. Der Zweiklang aus Beton und Ziegel ist von Riphahns Werken wohl vertraut, so stellten ksg über die Gliederung, die Materialität und die Farbe einen direkten Bezug zum Altbau her, gingen jedoch einen deutlichen Schritt weiter und spielten das Gestaltungspotential des damit gesteckten Gestaltungsrahmens weiter aus und vermieden es so, den Altbau in den Schatten zu stellen.

WiSo-Fakultät Köln © kister scheithauer gross Köln/Leipzig | Foto: HGEsch

In dem Sockel aus Betonfertigteilen wiederholen sich zwei Motive, deren unterschiedlicher Öffnungsgrad durch die dahinter liegenden Nutzungen bestimmt wird. Sehr schmale, stehende Fenster werden mit aneinander gestellten C-förmige Betonelementen gefasst, die dahinter liegenden Seminarräume vertragen nur wenig Ablenkung. Mit den beiden überbreiten, dazwischen eingefügten Schaufenstern haben die Architekten dagegen den dringenden Wunsch der Universität umgesetzt, sich zur Stadt hin zu öffnen und sichtbarer zu werden. Da die dahinter liegenden Pausenräume zweiseitig verglast sind, ist der Altbau dahinter weiterhin auch von der Straßenseite aus zu sehen.

Fassadendetail, Fesnteröffnungen der Seminarräume, WiSo-Fakultät Köln © kister scheithauer gross Köln/Leipzig | Foto: HGEsch

Zu beiden Seiten werden die Obergeschosse mit einer strengen Lochfassade, ähnlich der Ziegelhaut des Hochhauses, geöffnet. Zwei kleine Versprünge erzeugen eine leichte Staffelung der langen Flanke, die jedoch mit dem durchlaufenden Gesims des Erdgeschosses abgefangen werden. Da jedoch drei leicht voneinander abweichende Ziegelmischungen verwendet wurden, für die die Architekten jeweils ein Verlegemuster entwickelt haben, ergibt sich von links nach rechts ein leichter Farbverlauf von Dunkel zu Hell. „Die leichte Reliefierung des Volumens ergibt einen skulpturalen Baukörper, der mehr ist, als eine lineare Scheibe, da eine perspektivische Wirkung erzielt wird“, so die Architekten.

Verlegemuster und Ziegelmischungen © kister scheithauer gross Köln/Leipzig

Ungewöhnlich ist auch die asymmetrische Gestaltung der Fenster, deren Rahmen aus hellem Holz unten und an der linken Seite deutlich stärker ist – eine rein gestalterische Entscheidung mit der die Plastizität der Fassade weitergespielt wird und dem allzu strengen Bild der Riphahnschen Ansicht etwas 2019 entgegen gesetzt wird.

Auf den neuen Eingang am südlichen Kopf des Neubaus, der auf den Albertus-Magnus-Platz ausgerichtet ist, verweist ein großer, in eines der Betonfertigteile eingegossener Schriftzug. Wesentlich subtiler sprechen dagegen die Ziegelreliefs von Minerva und Merkur an der Eingangsfassade des Hochhauses von seiner Bestimmung. Aber nicht zuletzt ging es hier ja auch um die Sichtbarkeit, da kann man schon einmal deutlich werden.

Wiso-Fakultät Köln © kister scheithauer gross Köln/Leipzig | Foto: HGEsch

Nähe gewagt

Diese Fuge zwischen Riphahn und ksg, die durch einen Rücksprung im Erdgeschoss des Neubaus aufgeweitet wird, bleibt weiterhin Außenraum, wenn auch ein überdachter, da sie in voller Länge der Erschließung beider Baukörper dient. An drei Punkten docken Alt- und Neubau mit gläsernen Windfängen aneinander an, der Durchblick über die gesamte Länge bleibt dadurch offen. Derzeit steht die Bepflanzung und finale Gestaltung der Fuge noch aus, markant jedoch die in hellen Grüntönen verkleidete Deckenuntersicht der Arkade, die auf runden Stürzen ruht. Wenn man so mag, sind auch sie ein Zitat aus dem Riphahns Formenschatz.

Ansicht mit Blick nach Norden, die feinen Linien zeigen den Altbau © kister scheithauer gross Köln/Leipzig

Die Fuge als Arkade des Neubaus, gläserne Windfänge verbinden die Bauteile © Fotos Uta Winterhager

Die drei neuen Seminarräume, die zur Erweiterung des Raumangebotes der Fakultät dringend benötigt wurden, liegen in den Köpfen des Riegels sowie in seiner Mitte und damit spiegelsymmetrisch zu den Hörsälen des Altbaus und sind über die gläsernen Windfänge sichtbar und auf kurzen Weg erreichbar. Dass in diesen Räumen hinter der eng getakteten Lochfassade ernsthaft studiert wird, zeigt sich im Kontrast zu den Nebenräumen. Denn die Zwischenräume sind zum informellen Arbeiten für die Studierenden eingerichtet und technisch entsprechend ausgestattet. In den sogenannten Pausenräumen geht es lockerer zu, die großen Fenster zu Universitätsstraße und zum Gang und sehr grünem Mobiliar, das zur Kommunikation ausgerichtet ist.

Pausenraum in der WiSo Fakultät, links durch die Fenster sichtbar ist der mit der Fuge getrennte Altbau, rechts die Universitätsstraße © Foto Uta Winterhager

Das Corporate-Apfelgrün der Fakultät taucht leider immer wieder bei Einbauten und Verkleidungen auf. So leuchten die Sitz- und Arbeitsmöbel, sowie die Lamellen der Deckenverkleidungen in den Pausenräumen in dieser Farbe, ebenso wie die eingebauten Besprechungsnischen in den Bürofluren. Dass sich daran und darin gut arbeiten lässt, ist kaum vorstellbar, vielleicht hilft großflächiges Ausbreiten von Papier, Büchern oder Kleidungsstücken, ganz sicher aber der Rückzug in die wunderbar entspannte Lounge-Atmosphäre des Foyers im Altbau.

Uta Winterhager

Weitere Beiträge in unserer Reihe Bildungsbauten 2019:

Große Freiheit im kleinen Quadrat – der Neubau der AIZ von Waechter + Waechter