Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Brutal schön

Gregor Zoyzoyla zeigt seine Architekturfotos in der Unibibliothek.

Grau liegt sie da, fast unsichtbar an einem trüben Februartag selbst hinter den kahlen Bäumen: Die Universitäts- und Stadtbibliothek. Leicht zurückgesetzt von der Universitätsstraße wirkt sie trotz ihrer Betonwaben verschlossen, so ohne sichtbaren Eingang. Von dem Stuttgarter Architekten Rolf Gutbrod zwischen 1964 und 1968 erbaut, gehört sie ganz klar zum Brutalismus. Seit ein paar Jahren gibt es Initiativen, die diesen abweisenden Architekturstil sympathisch machen möchten – mit Erfolg.

Fassade der Universitätsbibliothek mit von innen beleuchteten wabenartigen Fenstern. Foto: Gregor Zoyzoyla
Fassade der Universitätsbibliothek mit von innen beleuchteten wabenartigen Fenstern. Foto: Gregor Zoyzoyla

Architekturreise

Leuchtend grünes Treppengeländer im Beton-Treppenhaus der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Foto: Gregor Zoyzoyla
Treppenhaus mit farbigem Geländer in der Hochschule für Musik und Tanz Köln aus dem Jahr 1974. Foto: Gregor Zoyzoyla

Auch der Fotograf Gregor Zoyzoyla macht sich für Gebäude des Brutalismus stark – vornehmlich mit seinen Fotos, die in ganz Europa entstanden sind: Von den Klassikern in Marseille über interessante Experimente in London und zahlreiche Bauten in Deutschland bis hin zur jugoslawisch-sozialistischen Avantgarde in Belgrad. Gerade bei den Wohnhochhäusern in Serbien, deren Fotos am Beginn der Ausstellung stehen, wird allerdings die architektonische Qualität nicht sichtbar – diese heruntergekommenen „Betonklötze“ werden wahrscheinlich niemanden für den Brutalismus begeistern. Anders als die auskomponierten Bilder der von innen beleuchteten Universitätsbibliothek, die unglaublich sauber wirkende Ruhr-Universität in Bochum, die zwischen 1964 und 1974 von Hentrich Petschnigg & Partner gebaut wurde, oder die Hochschule für Musik und Tanz in Köln von Werkgruppe7 und Bauturm, die mit den farbigen Geländern und Türen sicherlich einige der Besucher an die eigene Schulzeit in 70er-Jahre-Vorstadt-Schulen erinnern dürfte.

Entdeckungen in Beton

St. Johannes XXIII, Kirche der Katholischen Hochschulgemeinde aus dem Jahr 1969. Foto: Gregor Zoyzoyla

Neben den bekannten und nahe liegenden Gebäuden, darunter auch die Universitätskirche Johannes XXIII. mit wunderbarem Lichtspiel auf der gerillten Betonwand oder diverse Böhm-Bauten, ermöglicht die Schau auch Entdeckungen: Etwa die Kirche Zu Ehren unseres Herrn Jesus Christus in Emmaus im österreichischen Völs, 1967 von Josef Lackner gebaut. Sie nimmt mit ihren spitz zulaufenden Dachflächen die Form der sie umgebenden Berge auf und wirkt so gleich viel weniger schroff. Oder das Heizkraftwerk in San Adrián de Besos ganz in der Nähe von Barcelona, das aussieht wie geparkte Raketen. Nicht im eigentlichen Sinne Architekturfotografie sind die Aufnahmen vom Abriss des AfE-Turms der Universität Frankfurt. Auf einem Bildschirm zeigt eine Bildfolge eindrucksvoll, wie bei der Sprengung zunächst die Fassade in sich zusammenfällt und für einen kurzen Moment noch der innere Kern stehen bleibt, bevor er folgt.

Helle Kirche mit steil gezacktem Dach vor Bergen. Foto: Gregor Zoyzoyla
Die Kirche Zu Ehren unseres Herrn Jesus Christus in Emmaus nimmt die Alpenkulisse auf. Foto: Gregor Zoyzoyla

Ästhetisches Wohnen

Weg zwischen den schrägen Fassaden der Wohnanlage Alexandra & Ainsworth Estate. Foto: Gregor Zoyzoyla
Wohnanlage Alexandra & Ainsworth Estate in London. Foto: Gregor Zoyzoyla

Weniger spektakulär, aber umso reizvoller ist das Alexandra & Ainsworth Estate, eine von Neave Brown 1978 gebaute Wohnanlage in London, die über einen Mittelgang erschlossen wird. Zu ihm treppen sich die begrünten Fronten ab – hier lässt es sich gut wohnen, so scheint es. Zu genau sollte man allerdings nicht hinsehen, denn der Sichtbeton altert mit Flecken und Löchern. Dies gilt für die meisten der gezeigten Gebäude – und das ist auch der Grund für Initiativen wie #SOSBrutalism. Die Gebäude des Brutalismus verfallen, sie haben kein gutes Image, sind als hässlich verschrien und warum viele von ihnen unter Denkmalschutz stehen, wird den meisten Leuten ein Rätsel bleiben. Ausstellungen wie „Concrete : Imagination – Die Ästhetik des Brutalismus“ von Gregor Zoyzoyla mit Fotos aus außergewöhnlichen Perspektiven, die die Besonderheiten dieser Architektur hervorheben, tragen dazu bei, das Ansehen zu verbessern. Ein paar Geschichten um die reinen Fotos würden der Schau allerdings gut tun – liegen sie doch teilweise auf der Hand. So um den Avala-Fernsehturm in Belgrad aus den 1960er Jahren, der 1999 durch einen Bombenangriff während des Kosovokrieges zerstört wurde. 2004 initiierten Rundfunkjournalisten einen Wiederaufbau des Turms. Seit 2010 gibt es ihn wieder – fast baugleich zum Original aus der Zeit des Brutalismus.  

Vera Lisakowski

 

Concrete : Imagination – Die Ästhetik des Brutalismus„, bis 30. April 2020 in der Universitäts- und Stadtbibliothek.

Geöffnet Montag bis Freitag von 9 bis 24 Uhr, Samstag und Sonntag von 9 bis 21 Uhr. An der Schranke Bescheid geben dass man die Fotoausstellung sehen möchte, dann kommt man auch ohne Bibliotheksausweis rein.

Die Fotos der Ausstellung "Concrete : Imagination" werden in der Unibibliothek in Vitrinen präsentiert. Foto: Vera Lisakowski
Die Fotos der Ausstellung „Concrete : Imagination“ werden in der Unibibliothek in Vitrinen präsentiert. Foto: Vera Lisakowski

Weitere Informationen

Website von Gregor Zoyzoyla

Instagram-Auftritt von Gregor Zoyzoyla