Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Zusammenspiel / Interplay

Architektur Lesen I: Bilder und Gedanken zum Making-of von „JSWD Ensembles“

Eine Autorin in Bonn und ein Autor in Berlin wurden gefragt, ob sie ein Buch für ein Kölner Architekturbüro machen wollen. Das wollten sie beide gerne. Und weil sie es lieber zusammen machen wollten als alleine, gaben sie ein gemeinsames Angebot ab und bekamen den Zuschlag. Ein Email-Dialog, der aufzeigt, wie es lief und was daraus geworden ist, wurde zum Vorwort des Buches. Hier möchten wir damit und mit im Buch nicht veröffentlichten Bildern ein bisschen teasern.

Uta Winterhager: Auf meinem Schreibtisch liegt eine Postkarte, auf der steht: „Wenn man einmal angefangen hat, geht’s.“

Bevor wir beide anfingen, wir also noch überlegten, ob wir dieses Buch gemeinsam machen wollen, stand bereits der Titel fest: Ensembles. War darin etwa unsere Rolle als Autorenduo bereits angelegt? Wir kannten uns bis dahin schließlich nur dem Namen nach …

Nils Ballhausen: Aus meiner Zeit als Bauwelt-Redakteur kannte ich dich als Autorin, die sich mit Architektur und Architekten des Kölner Raums sehr gut auskennt. Von Berlin aus betrachtet, scheint mir Köln ein spezielles Feld zu sein, und so, wie man zum Mount Everest besser in Begleitung eines ortskundigen Sherpas aufsteigt, war es für mich naheliegend, dich zu fragen, ob wir uns für die Redaktion von Ensembles zusammentun wollen. Siehst du dich denn überhaupt als Teil der Kölner „Architektur-Community“?

Thyssenkrupp Quartier-Gebäck auf der Dachterrasse bei JSWD © Foto Uta Winterhager

UW: Jaja, wir tun hier in Köln wirklich alles, um dieses „Spezielle“ zu kultivieren. Und da bin ich gerne mittendrin, obwohl ich zugeben muss, dass mein Schreibtisch eher am Rand, nämlich in Bonn, steht. Aber aus meiner Perspektive ist JSWD gar kein typisch kölsches Büro – wie sieht das der Berliner?

NB: Viele Berliner neigen dazu, Köln mit Attributen wie chaotisch, intransparent, verfilzt, leichtfertig oder feierwütig zu versehen. Nichts davon trifft meines Wissens auf JSWD zu. Ich hatte das Büro bis zu diesem Buchprojekt eher punktuell wahrgenommen. Sicher, die Veröffentlichungen über das Thyssenkrupp Quartier in Essen oder das Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel konnte man in der Fachpresse kaum übersehen, aber als ich mich dann intensiver mit dem Portfolio beschäftigt hatte, war ich doch überrascht, dass ich nur so wenige Bauten und Projekte kannte. Woran das wohl lag?

UW: Ich biete dir zwei Thesen an: Dass JSWD dir nicht so vertraut war, mag daran liegen, dass sie ihre Arbeit nicht auf die Darstellung in einer Architekturzeitschrift ausrichten, sondern auf die besonderen Bedürfnisse und Wünsche jedes einzelnen Bauherrn – Stichwort: Corporate Architecture. Das läuft vielleicht, auch wenn es sehr professionell betrieben wird, der eigenen Markenbildung in gewisser Weise zuwider. Zum anderen haben wir hier ein Büro mit vier Partnern, vier Charakteren, vier Handschriften. Dass sie nach 20 Jahren immer noch so erfolgreich zusammenarbeiten, mag auch an den Freiheiten liegen, die sie einander und auch der nächsten Generation, den vier assoziierten Partnern, zugestehen. Trotz vieler scharfer Einzelaufnahmen wird es dadurch aber schwieriger, das Portfolio als Ganzes zu betrachten. Wie ist dein Eindruck heute, nach sieben Monaten intensiver Beschäftigung mit JSWD?

NB: Die Aufgabe wurde mit der Zeit immer interessanter. Schon beim ersten Kontakt mit Kim [Steffens], die bei JSWD für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, hatte ich den Eindruck, dass es sich um ein anspruchsvolles und gut organisiertes Büro handelt, das zudem die eigene Arbeit professionell dokumentiert. Es gab reichlich gutes Bildmaterial zu sehen, das aber nicht prahlerisch oder glossy wirkte. Als wir uns zum ersten Mal im Kölner Büro trafen, wurde mir klar, dass es dort eine Begeisterung für Fotografie gibt. Die großformatigen Bilder von Christa Lachenmaier, die dort an den Wänden hängen, zeigen Baustellen und Zwischenstände und treffen eher eine künstlerische Aussage.

UW: Ja, gerade die Fotos des entkernten FLOW Towers in Köln sind sehr schön, deswegen waren wir uns auch schnell einig, dass sie in dieses Buch gehören.

Das ehemalige BDI-Gebäude am Gustav-Heinemann-Ufer in Köln, heute nach Umbau von JSWD als FLOW Tower bowohnt © foto Christa Lachenmaier

NB: Sich selbst zurücknehmen und andere Sichtweisen zulassen – ist das typisch für JSWD?

UW: Bezogen auf die genannten Fotos, erkenne ich da eine große Wertschätzung für Ästhetik und einen wachen Blick, der das Schöne auch dort findet, wo man es normalerweise nicht sucht. Charakteristisch finde ich, dass sie auch in diesem Bereich mit Profis zusammenarbeiten und sich nicht selbst verkünsteln. Sie wissen genau, was sie gut können; sie sind aber zugleich offen für Leute, die etwas anderes gut können. Schon bei unserem ersten Treffen in Köln wurde deutlich, dass dieses Buch keine bloße Werkschau werden soll, sondern einen gewissen Mehrwert bieten muss. Das war doch genau das, was wir erhofft, aber nicht unbedingt erwartet hatten …

Auf Spurensuche in Brüssel für das Haus der Europäischen Geschichte © Foto: Uta Winterhager

NB: Wir waren uns jedenfalls alle schnell einig. Viele Architektenmonografien kranken ja daran, dass sie in Wort und Bild im Fachvokabular verschlossen bleiben, obwohl zugleich betont wird, wie stark die Architektur doch auf den Kontext, den Bauherrn und die Nutzer ausgerichtet ist. Nur bekommen die Leser diese Zusammenhänge selten veranschaulicht. Die Vielfalt an Themen, mit denen sich Architekten bei ihrer Arbeit auseinandersetzen, wird leider zu oft ausgeblendet. Und wenn dann auch noch der gestalterische Anspruch in einer formalen und funktionalen Reduktion auf das Wesentliche besteht, dann droht die Komplexität der jeweiligen Aufgabe unsichtbar zu werden. Das wollten wir in diesem Buch vermeiden. Deswegen sollte es in jedem Kapitel einen eher beschreibenden Teil und einen eher freien Magazinteil geben. Bei dem Projekt Neuer Kanzlerplatz in Bonn, quasi vor deiner Haustür gelegen, hat es ja gleich gut funktioniert.

Postkarte aus einer Zeit, in der man noch Postkarten schrieb, wenn eine Landmarke eröffnet wurde, das Bonn-Center in Bonn

UW: Das war genau das richtige Projekt, um zu testen, ob unser Konzept aufgehen würde. Denn dort, wo gerade der Grundstein für den neuen Bürokomplex gelegt wurde, stand früher das Bonn-Center – in der Bundeshauptstadt eine Institution, nicht schick oder schön, aber ein Ort, der für viele die Hoffnung auf das Großsein oder Großwerden verkörperte. Und heute entsteht genau dort wieder ein Wahrzeichen und wieder sind die Erwartungen groß, die gewählten Mittel jedoch gar nicht so verschieden. Solchen Geschichten gehe ich gerne nach. Hatte ich eigentlich erzählt, dass sich dort im Keller das Pantheon befand, zu Schulzeiten unser bester Club?

Nach der Sprengung des Bonn-Centers im März 2017 steht am Bonner Bundeskanzlerplatz nur noch der Eingang in den Keller © Uta Winterhager

Schön finde ich bei diesem zweiteiligen Format, dessen Grenzen wir zum Glück nie abgesteckt hatten, dass wir mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen sind und dadurch mehr als nur unsere eigene Perspektive in das Buch eingeflossen ist. Sind wir damit etwa schon wieder beim Buchtitel Ensembles gelandet?

NB: Es ging uns jedenfalls darum, Zusammenhänge sichtbar zu machen. Ein Architekturbüro ist wie eine Blackbox: Es gibt einen Input, es gibt einen Output, aber was dazwischen geschieht, bleibt für Außenstehende meist im Dunkeln. Je mehr wir uns mit den Bauten und Projekten von JSWD beschäftigten, je mehr Gespräche wir führten, desto mehr Querverbindungen waren zu entdecken. Wie lässt sich eine bestimmte Denk- und Arbeitsweise auf unterschiedliche Bauaufgaben anwenden? Welche städtebaulichen Figuren, welche Materialien oder Grundrisskonzepte sind auf welche Weise adaptierbar, ohne dass es nach Wiederholung aussieht? Darüber ließ sich einiges in Erfahrung bringen, das wir nun gerne teilen.

Nils Ballhausen und Uta Winterhager

Neugierig geworden? Lesen Sie Auszüge aus dem Buch hier:

JSWD—Ensembles

Nils Ballhausen / Uta Winterhager

erschienen im JOVIS Verlag

Hardcover 24,5 × 29 cm
248 Seiten, 281 farb. und s/w Abb. Deutsch/Englisch
ISBN 978-3-86859-477-5
06.2020 40.00€