Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Jetzt freuen wir uns erstmal an der Schönheit der logischen Form

Baustellenbesuch mit Ulrich Königs in den Schaugewächshäusern der Flora

Die Flora gehört unzweifelbar zu den Orten, die in den Herzen der Kölner fest verankert sind. Was für ein Schreck war das 2016, als das 1955 eröffnete Große Tropenhaus wegen seiner maroden Tragstruktur geschlossen werden musste und ein noch größerer Schreck war es, als ein Gutachten eine Sanierung der Schaugewächshäuser wirtschaftlich für nicht mehr machbar erklärte. Da erwachte der kölnische Bürgersinn und der Freundeskreis Botanischer Garten Köln beauftragte das Kölner Büro Königs Architekten mit einer Planung, auf deren Grundlage der Rat der Stadt Köln am 2015 entschied, die maroden Schaugewächshäuser im Botanischen Garten durch Neubauten zu ersetzen. Bauherrin für das mit 11,4 Millionen Euro angesetzte Großprojekt ist die Gebäudewirtschaft der Stadt Köln, die den Neubau im Auftrag des Amtes für Landschaftspflege und Grünflächen bei laufendem Betrieb realisiert.

Vor der Abbruchphase der Altbauten mussten zunächst die Vertreter der rund 5.000 Pflanzenarten, die die alten Schaugewächshäuer bewohnt hatten, ausgepflanzt und in drei Ersatzquartieren untergebracht werden. Darunter sind bis zu sechs Meter hohe Großpflanzen wie der Australische Flaschenbaum sowie viele seltene und damit sehr wertvolle Arten von Aloen, Kakteen, Orchideen und Palmen, die in ihrem natürlichen Bestand teils stark gefährdet sind. Und noch etwas wird bleiben, wie es immer war, der freie Eintritt in die Flora – ein großzügiges Geschenk der Stadt an die Bürgerinnen und Bürger.

Insgesamt wurden ca. 4.500 qm Glas verbaut. Ein Standardelement ist ca. 3,00 Meter breit und 1,40 Meter hoch und wiegt ca.170 kg. © Foto Ulrich Königs

Auf Zuwachs gebaut

Seit dem ersten Spatenstich 2018 ist viel passiert, Ende Mai 2021 steht die dreiflügelige Anlage mit Tropenhaus, Nutzpflanzenhaus und Wüstenhaus vollständig verglast genau an der Stelle ihres Vorgängerbaus, beeindruckt allerdings mit doppelter Höhe. Ilse und Ulrich Königs, die sich mit Kirchenbauten einen Namen gemacht haben, entwarfen für die Schaugewächshäuser eine Schalenkonstruktion mit parabelförmigen Stahlbögen, die bei einem vergleichsweise geringem Materialeinsatz einen maximalen Sonnengewinn ermöglicht. Genau dies zeigt sich nun in dem stützenfreien Innenraum der drei miteinander verschnittenen Tonnen. Am Scheitelpunkt misst die zentrale Halle, das Tropenhaus, 18 Meter, wenn man sich überlegt, dass hier fast ein fünfstöckiges Haus drin Platz findet, ist die Dimensionierung der präfabrizierten Stahlelemente wahnsinnig schlank, ihr Schattenwurf entsprechend gering.

Große Freude herrscht kürzlich im Büro Königs, als die Redaktion des Neufert anrief, weil der Entwurf für das Großgewächshaus in die nächste Ausgabe aufgenommen werden soll – ein Klassiker schon vor der Eröffnung! © Foto Uta Winterhager

Die großen Glasscheiben, von denen jede 170 Kilo wiegt, sind plan, die Rundung der Hülle ist also genaugenommen nicht so rund wie die Stahlträger, sondern polygonal. Dies hat nebenbei den großen Vorteil, dass Vögel die quasi durchsichtigen Häuser wegen ihrer fragmentierten Oberfläche als Hindernis erkennen und umfliegen, so dass auf einen weiteren Vogelschutz verzichtet werden kann. Die 28 Millimeter dicke Spezialverglasung aus 2fach-Isolierglas hat eine extrem hohe Lichtdurchlässigkeit. So kann man heute von jedem Standpunkt aus vollständig durch die Glashäuser hindurchschauen, während die Innenräume schon beginnen, die Wärme der noch etwas zaghaft scheinenden Sonne zu speichern.

Mit 17 Metern lichter Höhe ist im Trpischen Haus auch Platz für größere Bäume samt Zuwachs. Auf der linken Seite wird das Gelände bis zur Oberkante des Betons hochgezogen. © Foto Uta Winterhager

Technisch so gut wie die Natur

Glas- und Stahlbau sind inzwischen abgeschlossen, die Hülle hat soeben die Dichtigkeitsprüfung nach künstlicher Beregnung bestanden. Nun arbeiten die technischen Gewerke daran Wasser, Elektro und Heizung möglichst unsichtbar zu verlegen, da sich in der Glashaut kaum etwas verstecken lässt, gibt es einen direkt davor verlaufenden Revisionsschacht. In der Konstruktion wird eine intelligente Mess- und Regelanlage installiert, die die unterschiedlichen Klimaanforderungen sehr präzise simulieren kann, um für die diversen Ansprüche der in der Wüste oder den Tropen heimischen Pflanzen auch im Rheinland zu jeder Zeit ideale Bedingungen zu schaffen. Eine Verschattung ist hier nicht erforderlich, da sich der Aufbau der Bepflanzung an der Natur orientiert, die die großen Pflanzen zu Schattenspendern für die kleinen macht. Auch künstliche Beleuchtung ist nicht vorgesehen, da die Schaugewächshäuser nur bei Tageslicht Besuchszeit haben, die Arbeitsbeleuchtung für die frühen Morgen- und Abendstunden kann jedoch bei Bedarf an Festlichkeit etwas intensiviert werden.

Einige Fensterflächen sind mit Lüftungsklappen versehen. Blick aus dem Wüstenhaus über den Tropischen Hof auf das Nutzpflanzenhaus © Foto Uta Winterhager

Heute liegt in den Gewächshäusern noch ein gut 50 Zentimeter starker stabiler Baustellenbelag, auf dem sich die großen Fahrzeuge erstaunlich forsch bewegen. Bevor nach der Fertigstellung der Gebäude 2022 die Pflanzen einziehen können, werden die entsprechenden Böden eingebracht und die Topografie (RMP Stefan Lenzen Landschaftsarchitekten) mit einem Canyon und möglichst barrierefreier Besucherführung über verschiedene Höhen modelliert. Die künftigen Höhenlinien zeichnen sich heute schon im Verlauf des Betonsockels ab. Darin verborgen und von der Außenseite zugänglich, liegen darin auch die Betriebsräume für die Angestellten.

Um im Duktus der Schaugewächshäuser zu bleiben, ist der Besuchereingang mit einem „hochgeklappten“ Vordach markiert © Foto Uta Winterhager

Einmal um die Welt

Der denkmalgeschützte Tropische Hof im Zentrum der dreiflügeligen Anlage liegt heute noch brach, bald soll hier jedoch das Viktoriabecken mit der legendären Riesenseerose wieder hergestellt werden. Der Besuchereingang in die Schaugewächshäuser liegt an der dem Botanischen Garten zugewandten Seite, am Kopf der Palmenallee. Fast augenzwinkernd markiert ein vermeintlich hochgeklapptes Tor den Zugang, der tatsächlich doch eine Tür ist. Über eine Schleuse betreten die Besucherinnen und Besucher zunächst das Nutzpflanzenhaus, daran anschließend in das große Tropenhaus geführt. Im dritten Flügel liegt das Wüstenhaus, das, um das trocken-heiße Klima stabil zu halten, mit einer Glaswand abgetrennt ist.

Das Wüstenhaus ist zur Bewahrung des trockenen Klimas abgetrennt, Besucherinnen und Besucher treten über die Tür ein, größere Pflanzen und Gerätschaften durch das zweiflügelige Tor © Foto Uta Winterhager

Den Rundgang wird ein Besuch der ebenfalls neu gebauten Orangerie komplettieren, hier überwintern die frostempfindlichen Pflanzen, es ist aber auch ein Raum für Wechselausstellungen. Die Verbindung zwischen den beiden Baukörpern und die Abtrennung des dahinterliegenden Betriebshofs bildet eine Sichtbetonwand, mit einer davorgesetzten Schale aus Architekturbetonfertigteilen. Deren von Königs gestaltete Oberfläche fügt sich hier und an anderen Stellen des Projektes zu einem endlosen Rapport fein aufgeblätterter Schichtungen aneinander.

Die Orangerie wurde als klassische Pultdachkonstruktion neugebaut © Foto Uta Winterhager

Die Schaugewächshäuer sind schon heute, noch ganz ohne Bepflanzung ein magischer Ort. Eine Kirche für Pflanzen, das sagte Ulrich Königs zwar lachend, aber genau das ist es geworden. Nun braucht es noch etwas Geduld, den nach der Bepflanzung  ist für die Anwachsphase und dem Probebetrieb der Klimaregulierung noch ein weiteres Jahr kalkuliert. Erst 2023 werden diese wunderbaren Kunstwelten in allen ihren Dimensionen sinnlich erlebbar sein. Solange freuen wir uns einfach an der Schönheit der Form.

Die Lüftungsklappen der Orangerie lassen sich mechanisch öffnen, wie Ulrich Königs hier demonstriert © Foto Uta Winterhager

HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH: die niederländische Firma Smiemans Projekten (mit der Königs auch die Forschungsgewächshäuser auf dem Campus Riedberg für die Goethe Universität in Frankfurt realisierte) hat die Flora beim Benelux Trofee voor Thermisch Verzinken (BTTV) 2021 eingereicht, wo sie in der Kategorie ‚Functional galvanizing‘ aus Sieger ausgezeichnet wurde.

Uta Winterhager