Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Zeitlosigkeit im Hier und Heute

Interview: Architektur im Gespräch mit Dombaumeister Michael Hauck

Seit bald zwei ist Jahren ist Michael Hauck (54) Leiter der Dombauhütte. Der Kunsthistoriker ist auch ausgebildeter Steinmetz und Restaurator und war ein Vierteljahrhundert Dombaumeister in Passau. koelnarchitektur.de war zu Besuch im Kurienhaus und fragte nach, wie sich die Veränderungen rund um die Domplatte aus seiner Sicht darstellen.

Herr Hauck, Sie stammen aus Würzburg, waren lange in Passau tätig, bevor Sie nach Köln kamen, vermissen Sie die süddeutsche Idylle?

Michael Hauck: Nein, weil ich immer noch dort wohne, in einem alten Bahnhof an einem Fluss, mitten im Bayerischen Wald: das ist die pure Idylle. Schärfer könnte das Kontrastprogramm wirklich nicht sein.

Und wenn Sie dann mit dem Zug wieder nach Köln hineinfahren und Ihren Schutzbefohlenen schon von weitem sehen, tut er Ihnen leid, weil er nicht in einer heilen Umgebung steht?

MH: Der Dom wurde ja entwickelt und gebaut für das Zentrum einer schon im Mittelalter großen Stadt. Als Gehäuse für den Dreikönigenschrein war er ein Wirtschaftsmotor, ein Anziehungspunkt für Zigtausende. Er stand immer mitten im Getriebe, nie in einer solchen heilen Welt. Insofern tut er mir nicht leid, denn er ist eigentlich da, wo er hingehört. Das ist ja die Herausforderung an uns: unter komplett geänderten Bedingungen etwas zu bewahren, das außerhalb der Zeit steht und zeitlos ist, aber eben nicht bedingungslos, und mit diesen Bedingungen müssen wir umgehen.
Audio*Bedingungen

Wie sind architektonische Eingriffe rund um den Dom idealerweise zu gestalten?   

MH: Wichtig ist, dass man Sichtachsen berücksichtigt und nicht Akzente setzt, die das Erleben des Doms beeinträchtigen würden. Auf der einen Seite gilt es das zu respektieren, was gewachsen ist, aber auf der anderen Seite steht es uns aber jederzeit zu, mit dieser Vorsicht im Hintergrund Entscheidungen zu treffen, die unserer Zeit entsprechen. Gute Beispiele sind das Felix Nussbaum Haus in Osnabrück und das Stadthaus von Richard Meier vor dem Ulmer Münster. Es ist sehr spannungsgeladen, wenn man der alten Architektur das gegenüberstellt, was sich in der Zwischenzeit entwickelt hat. Und so etwas würde ich mir hier wünschen: eine Architektur, die selbstbewusst daher kommt, aber nicht überkandidelt.
Audio *Selbstbewusste Architektur

Was ist Ihre Rolle bei der Umgestaltung des Domumfeldes?

MH: Wir sind in einigen Verfahren beteiligt und stehen zu gestalterischen Fragen in enger Abstimmung mit der Stadt und den Architektenteams, zum Beispiel beim Baptisterium, beim Werkstattverfahren der via culturalis und bei der Frage, wie man mit der Südflanke umgehen sollte.

Für den Bereich östlich des Domchores etwa, können Sie da konkrete Punkte nennen, wie das Vorhaben nach Abstimmung mit Ihnen modifiziert wurde?

MH: Im Wesentlichen ging es dabei um Fragen im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Baptisteriums und zu Detaillösungen bei den neuen Schau- und Depoträumen sowie der für den Betrieb der Dombauhütte wichtigen Zufahrt zum Werkstattbereich. Momentan laufen in enger Abstimmung mit dem Architekturbüro Allmann Sattler Wappner Überlegungen zum Erscheinungsbild des Domherrenfriedhofs, der nach Abschluss der Bauarbeiten ebenfalls neu gestaltet werden soll.
Der Dom erhält dort einen neuen Rahmen, der ihn anders zur Wirkung kommen lässt. Die Öffnung, die vorgenommen wird und die Klärung des Umfelds hat man bereits gut an der Nordseite wahrnehmen können, wo die „Pilze“ mittlerweile entfernt wurden. Das war eine Architektursprache, die in ihrer Zeit ihre Rechtfertigung hatte, heute aber überholt ist. Es gibt nun einen freien Blick auf den Dom, aber auch in umgekehrter Richtung in die Stadt hinein.

Ist die Dombauhütte selbst auch von den Umbauten im Tunnelbereich betroffen?

MH: Ja, die Außenwand der Hüttenwerkstatt wird vorgeschoben, und dahinter entstehen zwei „Showrooms“ mit großen Scheiben, in denen Exponate in Verbindung mit den Werkstätten gezeigt werden und in denen auch Führungen stattfinden können.

Was stört Sie am meisten mit Blick auf das Domumfeld?

MH: Am meisten stört mich, dass der Dom durch die Planungen der Domplatte seinen Sockel verloren hat. Die Erhöhung, die ikonographisch und ikonologisch bedingt war, ist in einer völligen Ignoranz der Baugeschichte gegenüber beseitigt worden. Man hat der Kathedrale die Füße abgeschnitten. Mit den Stufen, wie Sie sie an der Südseite des Domes sehen können, hat der Bau eine ganz andere Wirkung, als wenn er so platt auf dem Platz steht.

Können Sie denn der Domplatte auch etwas Positives abgewinnen?

MH: Die Situation dort ist für mich schwierig. Vor der Westfassade steht die Stadtbeleuchtung, viel zu nah am Bau dran. Links und rechts hängt jeweils ein Colonia-Müllkübel. Der Dom ist ja angestrahlt, die Portaltrichter sind beleuchtet. Es stellt sich die Frage: Braucht man in der gegebenen Situation überhaupt noch eine zusätzliche Beleuchtung, und braucht man dort diese profane Art Stadtmöblierung? Ich könnte an dieser Stelle auch völlig darauf verzichten.

Die Kreuzblume wurde einst als Hinweis auf eine Ausstellung aufgestellt, und dann blieb sie da stehen. Auch den Petersbrunnen auf der Papstterrasse (Anm. der Redaktion: an der Südflanke westlich des Querhauses) finde ich einigermaßen unglücklich platziert, ohne Bezug zum Bau. Man hat den Eindruck, irgendwelche Möbel, die man nicht mehr brauchte, wurden da einfach abgestellt und stehen gelassen.

Wie ist Ihre Meinung zum Südturmeingang?

MH: Ich kenne die Situation und den alten Kiosk von früher, und empfinde die heuutige als eine deutliche Aufwertung. Die Architektur finde ich sehr geglückt, weil sie einerseits kontrastiert, andererseits aber nicht klotzt.

Welche Entwicklungen zeichnen sich für das Kurienhaus ab?

MH: Es gibt noch keine konkreten Pläne, aber der massive Sanierungsbedarf des jetzigen Gebäudes und auch der negative Denkmalschutzbescheid legen einen Neubau nahe. Und es gibt ja hier im Umfeld viele weitere Vorhaben, die zur Disposition stehen: die südliche Domplatte und das Domhotel, das Studiengebäude des Römisch Germanischen Museums, der Parkplatz zwischen dem Kurienhaus und dem Verwaltungsgebäude des RGM und das WDR Gebäude mit dem Parkhaus. Im Gesamten betrachtet ist dies eine historisch einmalige Chance, den gesamten angesprochenen Bereich neu zu überdenken.

Der nächste wichtige Schritt wäre, dass für die Gestaltung der Südkante ein städtebaulicher Wettbewerb ausgelobt werden sollte. Der müsste die verschiedenen Verfahren zusammenführen, die es derzeit gibt. Das Werkstattverfahren mit dem Entwurf von Allmann Sattler Wappner ist ja schon zehn Jahre her, und in der Zwischenzeit haben sich andere Bedingungen ergeben.

Und egal, ob es um den städtebaulichen Wettbewerb oder einen Realisierungswettbewerb für die Stadt oder das Metropolitankapitel geht, die Ausschreibungen müssen allerhöchste Qualitätsmaßstäbe erfüllen und werden sich, nach allem, was man hört, an eine international renommierte Architektenschaft richten, und das ist für mich etwas sehr Beruhigendes. Ich bin sehr gespannt darauf, was sie für Vorschläge dabei entwickelt werden. Ich glaube, man sollte vor allem offen sein und die Leute ohne große Vorgaben und Randbedingungen arbeiten lassen. Das würde ich mir wünschen, denn dann darf man wirklich im besten Sinne gespannt sein auf innovative und frische Gedanken zum Wohl der Stadt Köln und ihres historischen Zentrums.

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Das Aufräumen am Domchor schreitet voran. Zwischen der Dombauhütte und dem Architekturbüro Allmann Sattler Wappner laufen Abstimmungen zum Domherrenfriedhof, der nach Abschluss der Bauarbeiten ebenfalls neu gestaltet werden soll.
Foto: Ira Scheibe

Und Ihre konkreten Vorstellungen für die bauliche Gestaltung?

MH: Ich finde schon, dass der Platz im Süden eine Artikulation braucht, und das kann kein Blumenbeet sein. Ich denke, dass der Platz gewinnen würde, wenn man ihn entsprechend rahmte. Ich bin kein Freund des Gedankens, die Nordseite der gegenüberliegenden Häuserzeile sei die Platzkante. Letztlich sind jedoch viele Lösungen denkbar. Entscheidend ist, dass man zu einer intelligenten und gut durchdachten Lösung findet. ich kann mir da viel vorstellen. Es gibt Gespräche mit der Stadt, und ich bin guter Dinge, dass die gemeinsam abzustimmende Entwicklung zu einem guten Ergebnis führen wird.

Mit Michael Hauck sprach Ira Scheibe

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