Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Kirchenschatz

Johannes XXIII, Kirche der Katholischen Hochschulgemeinde

Ein Gotteshaus hat das Recht, ja sogar die Pflicht, sich zu unterscheiden, um Zeichen zu setzen. Doch St. Johannes XXIII ist nicht größer, höher oder prächtiger als anderes, sondern bis zum Äußersten direkt. Die Ansichten dieser Kirche verstören, sie sind unlesbar, brutal und fremd. Als krasses Gegenbild himmelstrebender Gotik löst sie das Irdische nicht auf, sondern hält es fest und hockt schwer beladen von der eigenen Konstruktion, zwischen den Hochhäusern, die hier die Maßstäbe setzen.

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Der Innenraum ist um die zentralen Baumstützen organisiert, in deren Mitte der Tabernakel geborgen ist.
Foto: Uta Winterhager

1968 ging es hier nicht um Stil, sondern um Bilder als Transmitter der geistigen Inhalte, die die Kirche bedeuten. Und doch hätten diese Bilder kaum irdischer sein können als Baum und Höhle, die solide, greifbar und massiv eher den Menschen nah sind als Gott. Buchmann, der Architekt, und Rikus, der Bildhauer, wagten gemeinsam das Banale und dachten das Bild konsequent zu Ende, um über die Raumskulptur zu einem funktionierenden Gebäude zu gelangen. Der Baum (oder die Wurzel Jesse) als konstruktives Element gab mit Stamm und Geäst die Struktur vor. In der Krypta, der Unterkirche, erscheint er als vierteiligen Betonpfeiler, der die Bodenplatte des ebenerdigen Kirchenraumes durchstößt. Die Durchstoßstellen sind mit Glasbausteinen – Wasser – markiert. Die Stämme verzweigen sich zu einem Geäst, einer unglaublichen Struktur aus Platten und Balken, in deren Komplexität der Blick sich verliert. Überbau und Hülle verbindet kein statisches System, bunte Fensterbänder fassen den Raum, nur unterbrochen von Wandstücken, deren Oberfläche als Negativform aneinandergestellter Baumstämme erscheint. So schwebt das Schwere über dem Leichten und man muss glauben, was man sieht, muss vertrauen, um sich aufhalten zu können.

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Glaube, Vertrauen, Konstruktion
Foto: Uta Winterhager

Diese Kirche ohne Schwelle, ohne Stufen und ohne Turm lehnt Hierarchien ab, aber sie bietet ein Zentrum in ihrer Mitte an. Dort steht umgeben von den vier Stammpfeilern der Tabernakel, der wie Altar und Ambo, das bis zum Äußersten abstrahierte Bild des Baumes vom Beton zurück ins Holz transponiert. (uw)

Uta Winterhager

Kirche der Katholischen Hochschulgemeinde Köln, Berrenrather Straße 127, Köln Sülz

Dieser Text wurde dem KÖLNER ARCHITEKTURFÜHRER entnommen, der im Herbst dieses Jahres erscheinen wird.

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Fensterentwurf Josef Rikus, Wilhelm Thonnett, Ausführung P. Winnen, Köln 1970 © Foto: Uta Winterhager
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Detail der Westfassade
Foto: Robert Winterhager