Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Im wilden Westen

Pandion kauft Schrottplatz für 1300 neue Wohnungen in Ehrenfeld

Berge, ganze Berge von Schrott. Altschrott, Neuschrott, wollige Späne und sperrige Gehäuse. Ein Schrottplatz ist ein faszinierender Ort, doch dieser hier wird weichen, damit auf dem rund 12,5 h großen Firmengelände der Max Becker GmbH – mehr als doppelt so groß wie der Kölner Stadtgarten! – etwa 1.300 Wohnungen und 2.300 Arbeitsplätze entstehen können. Das Unternehmen wird sein Grundstück zwischen Maarweg und Widdersdorfer Strasse aufgeben und seine Aktivitäten bis 2022 im Niehler Hafen zusammenziehen. Eine gute Nachricht – oder?

„Pandion entwickelt Schrottplatz zu urbanem Quartier“

Zwischen Ehrenveedel und Rheinenergie-Areal könnte ab 2029 auf dem Max Becker-Areal gewohnt werden. Rheinauhafen-Flair oder Ehrenfelder Mischung, was wird sein? © Pandion AG

So lautete die Überschrift zur Pressemitteilung, und für manche Ohren klingt das nicht gerade nach einer Verheißung. Im Dezember 2019 kaufte die Pandion AG das Gelände für eine unbekannte Summe, es wird von 175 Mio Euro gemurmelt. Als Quartiersentwickler betritt Pandion Neuland, aber wie man sich das vorzustellen hat, kann man anhand von Beispielen wie dem Kranhaus Nord und dem „Fine“ im Clouth Gelände hochrechnen: der übliche Investoren-Standard mit Preisen im gehobenen Segment, die für eine konsequente Ehrenfelder Ent-Mischung sorgen dürften. Gleich auf der anderen Seite der Gleise, „Am alten Güterbahnhof“, baut Aurelis gerade ein solches „Trendviertel“.

Vorher Schrott, nachher Investoren-„Trendviertel“? Das neu zu bebauende Max Becker Gelände ist mehr als doppelt so groß wie der Stadtgarten. © PANDION AG, Simon Büttner

Bezahlbarer Wohnraum für viele – ist bekanntermaßen nicht der Unternehmenszweck der Pandion. Erst nach dem Kauf wurden die politischen Gremien informiert. „Warum kauft Pandion eigentlich ein Grundstück, das im Flächennutzungsplan als Industriegelände festgeschrieben ist, für so viel Geld? Welche Zusagen von Stadtverwaltung und Politik hat es denn im Vorfeld gegeben?“ fragt Andreas Pöttgen von der SPD bei der Ratssitzung am 6. Februar 2020.

Wer zahlt, bestimmt die Musik.

„Wir als Stadt Köln haben alles, aber auch alles in der Hand,“ sagt Markus Greitemann. Beschlossen wurde in der Ratssitzung im Februar mit den Stimmen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe GUT, einen städtebaulichen Wettbewerb zur Entwicklung eines mischgenutzten Quartiers durchzuführen und auf dieser Grundlage einen Bebauungsplan zu erstellen. Die Vorgaben des Kooperativen Baulandmodells – 30 % geförderter Wohnungsbau – kommen zur Anwendung;  Gewerbeflächen sowie Kultur-, Sozial- und Bildungseinrichtungen sind zu schaffen sowie Grünflächen und eine Anbindung an den ÖPNV.

Noch in diesem Jahr soll ein städtebaulicher Wettbewerb für das Max Becker Areal beginnen. © PANDION AG, Simon Büttner

Der Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Josef Wirges (SPD) möchte die Latte höher hängen: „30 % öffentlich geförderter Wohnungsbau plus 20 % preisgedämpfte Wohnungen plus 20 % Werkswohnungen – vielleicht genossenschaftliche Initiativgruppen.“ Nun stellt sich die spannende Frage, ob das mehr ist als ein Wunschzettel an den Weihnachtsmann.

Stadt für viele auf Privatgrund?

Für Klaus A. Becker, Geschäftsführender Gesellschafter beim Unternehmen Max Becker, gab es eine schöne Bescherung: Bei der vermuteten Kaufsumme freut er sich über 1750 % Wertsteigerung seines Grundstücks, das sich einst im städtischen Besitz befand und für 10 Mio Euro veräußert wurde. Auf dem Schrottplatz stand einst ein Gaskraftwerk. Der westliche Teil des Areals ist noch im Besitz der Rheinenergie, die hier ein Kugelgasspeicher unterhält. Innerhalb einer zweimonatigen Frist hätte sie von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen können. Mitte März gab sie bekannt, darauf zu verzichten.  

Statt Eigentümerin wurde die Rheinenergie AG nun Kooperationspartnerin der Pandion, laut Ratsbeschluss vom Februar 2020 „mit dem Ziel einer gemeinschaftlichen Entwicklung des Gesamtareals (…). Dabei soll auch die Möglichkeit der Errichtung von Mitarbeiterwohnungen für den Stadtwerkekonzern berücksichtigt werden.“ Zusammen mit dem Areal der Rheinenergie von 3,7 ha umfasst das Plangebiet somit 16,2 ha.

Bis 2021 soll der städtebauliche Wettbewerb „unter Einbindung der Öffentlichkeit“ und bis 2023 das Bebauungsplanverfahren abgeschlossen sein, so dass das Quartier bis 2029 fertig gestellt sein könnte. Die ehemaligen Arbeitervillen an der Widdersdorfer Straße stehen unter Denkmalschutz, das ehemalige Uhrenhaus des Gaskraftwerkes jedoch nicht, die Pandion möchte es dennoch erhalten.  

© PANDION AG, Simon Büttner

Wird Ehrenfelds wilder Südwesten zu einer weiteren Investorenoase oder wird es gelingen, mit den zur Verfügung stehenden Instrumentarien tatsächlich ein Stück Stadt für viele zu entwickeln? Schon im Wettbewerb wird es sich zeigen.

 

Ira Scheibe