Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Reconquista im Friesenviertel

Ingenhoven baut im Innenhof, und auch sonst passiert ganz viel.

Der Friesenplatz drohte zu kippen: Schmuddelecken, Sauftourismus, Sisha-Bars – nicht eben Stichworte, die zum Flanieren und Verweilen einluden. Doch die Wiedereroberung des Ringplatzes und der Umgebung am Hohenzollernring und im Gerling-Quartier ist im Gange.

So planen zum Beispiel ingenhoven architects im Auftrag des Eigentümers PROXIMUS REAL ESTATE AG auf dem ehemaligen Capitol-Gelände am Hohenzollernring. Das Kino eröffnete 1929; das 1954 wiederaufgebaute Haus erlebte Ende der 90er Jahre einen zweiten Frühling als Produktionsstätte für die “Harald Schmidt Show” und “TV Total”. Nun entsteht im Blockinneren ein Hotel der Ruby-Kette. Ins Erdgeschoss am Hohenzollernring 79-83 und in einen Teilneubau im Innenhof zieht ein großer Rewe-Markt ein.

Das Vorderhaus zum Hohenzollernring mit Büros und Einzelhandel öffnet sich dem Passanten mit einem breiten Durchgang im Haus Hohenzollernring 85-87 zum begrünten Innenhof. Das ehemalige Capitol erhält eine neue Fassade für die ersten beiden Geschosse und – um ein einheitliches Gesamtbild zu erzeugen – eine zweite Glasebene für die zweiten bis fünften Obergeschosse sowie ein Vordach über die gesamte Gebäudelänge.

Ins Gebäude links wird ein großer Supermarkt einziehen, rechts davon die Durchfahrt in den begrünten Innenhof. © ingenhoven architect
Vorher – nachher: im Bild das ehemalige Capitol von 1954; das Gebäude rechts stammt aus den 60er Jahren. © Ira Scheibe

Ein Haus ist (k)ein Garten

Ein städtischer Garten im Belgischen Viertel? Ein tolles Versprechen! Zunächst einmal aber entsteht der klassische Betonblock in Skelettbauweise mit einer Vorhangfassade aus farbigen Fertigteilen und festverglasten Metallrahmen. So weit, so bekannt.

Doch das Grün im Blockinneren wird nicht nur auf dem Boden wachsen, sondern auch an der Fassade des Neubaus auf zueinander versetzten Terrassen. Dank bodentiefer Fenster wirkt das Grün auch in die Innenräume. Die Terrassen und das Flachdach an der Dachkante erhalten 1,25 m hohe Pflanztröge. Zum Begrünen der Dachaufbauten dienen metallische Rankgerüste.  Der Schweizer Gartenarchitekt Enzo Enea, von der FAZ zum „Baumflüsterer“ geadelt, plant den Außenraum.

Gemäß den neuen Hotelkonzepten freut sich auch die Ruby Kette auf Drittbesucher. Man muss also kein Hotelzimmer buchen, um in Bar oder Restaurant am neuen „CARRÉ BELGE“, wie das Projekt vom Eigentümer getauft wurde, teilzuhaben.

Durchblick am Friesenplatz: Vorne im Bild die Allianz Baustelle, weiter hinten entsteht das Ruby Hotel. © Ira Scheibe


Schönere Ringe: der neue Friesenplatz

An der Nordwestecke bauen msm meyer schmitz-morkramer für die Allianz einen Gebäudekomplex, der bereits zum Teil fertig gestellt ist. Hier ist u.a. Weingarten eingezogen, und im Restaurant gibt es Wok und bowls. An der Südostecke steht ein elfgeschossiges Hochhaus mit einem niedrigeren Gebäudeteil am Hohenzollernring und einer noch niedrigeren Sockelbebauung am Friesenwall. Der Komplex stammt vom Ende der 60er Jahre; früher war hier strauss innovation untergebracht, heute gehört er den Immobilienentwicklern PROXIMUS und Quantum. Die Pläne für den Umbau sind noch nicht zur Veröffentlichung gediehen.

Lageplan Gerling Quartier und Hohenzollernring @ Google Maps

Eingang ins Gerling Quartier

Die sogenannte Südspange ist mit dem 25hours Hotel bereits bespielt, aber auch hier gibt es noch viel zu tun für Quantum und PROXIMUS – und Herrn Ingenhoven. Das Hufeisengebäude aus den 60er Jahren wird um zwei, beziehungsweise im Mitteltrakt um drei Geschosse aufgestockt. Die Fassaden der Staffelgeschosse springen gegenüber der Bestandsfassade zurück. Im großzügigen Foyer befinden sich Kommunikationszonen, oben sind flexibel aufteilbare Büroflächen geplant.

In den Jahrhundertsaal, der ehemaligen Kantine, werden Gastronomie und Büros einziehen. „Bauliche Änderungen des Gesamtensembles sind behutsam mit der Geometrie des Innenraums, der Wandflächen und der Segmentierung der Deckenuntersichten zu koordinieren,“ heißt es aus dem Büro Ingenhoven.

Das Eckgebäude an der Spiesergasse wird mit einem Neubau auf dem östlich angrenzenden Grundstück zusammengefasst und um zwei Staffelgeschosse aufgestockt. Hier wird Platz für Büros und Einzelhandel sein. Im Klapperhof gegenüber dem Rundbau stehen noch zwei Verwaltungsgebäude des Versicherungskonzerns aus den 70er und 80er Jahren, die derzeit modernisiert werden und von Enzo Enea eine gartengestalterische Fassung erhalten, im „Vorgarten“ sowie im Innenhof.

Das Friesenviertel, das einst „no-go-area“ zu werden drohte, kann nun sein ganzes Potenzial zeigen. Und vielleicht wird man dann irgendwann ja wirklich auf dem autofreien Gereonshof – vor Ewigkeiten als Kölns Piazza Navona heraufbeschworen – einen Kaffee trinken und Zeitung lesen können!

Ira Scheibe

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